Astronomie

Neue Art von Gravitationswellen detektiert

Erstes Signal einer Verschmelzung von Schwarzen Löchern mit sehr ungleicher Masse

KOllision
So könnte es aussehen, wenn ein kleines und ein viel massereicheres Schwarzes Loch verschmelzen – genau dieses Ereignis haben Astronomen nun erstmals nachgewiesen. © N. Fischer, H. Pfeiffer, A. Buonanno / Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Simulating eXtreme Spacetimes (SXS) Collaboration

Einzigartiges Signal: Astronomen haben die Gravitationswellen eines zuvor noch nie beobachteten Ereignisses eingefangen – der Verschmelzung zweier ungleicher Schwarzer Löcher. Denn eines ist mit nur rund acht Sonnenmassen eher klein, das andere umfasst dagegen 30 Sonnenmassen. Dieses Ereignis belegt nicht nur, dass es solche ungleichen Paarungen gibt. Es bestätigt auch, dass Einsteins Vorhersagen für solche Fälle zutreffend sind.

Seit dem ersten Nachweis von Gravitationswellen im Jahr 2016 haben die beiden LIGO-Detektoren in den USA und der Virgo-Detektor in Italien Dutzende weiterer solcher Raumzeit-Erschütterungen registriert. Quelle dieser Gravitationswellen sind vor allem die Verschmelzungen zweier Schwarzer Löcher, aber auch Neutronenstern-Kollisionen und sogar ungleiche Paarungen von einem Schwarzen Loch und einem Neutronenstern waren dabei.

„Wie die Obertöne von Musikinstrumenten“

Jetzt gibt es eine weitere Neuheit: LIGO und Virgo haben ein bislang einzigartiges Signal eingefangen. Detektiert wurden die Gravitationswellen dieses GW190412 getauften Ereignisses am 12. April 2019 – nur zwei Wochen nach Beginn der dritten Mess-Saison. Zuvor hatten die Forscher die Sensibilität der drei Detektoren deutlich erhöht. Genau dies ermöglichte nun die Detektion dieses ungewöhnlichen Signals.

Das Besondere daran: Bei allen bisherigen Ereignissen folgten die Gravitationswellen einem typischen Muster: Die Amplitude und Frequenz der Wellen nehmen erst langsam zu, um dann plötzlich nach der Kollision abzufallen. Dabei dominiert eine Schwingungsart. Doch GW190412 passte nicht in dieses Muster. Denn bei diesen Gravitationswellen traten zusätzlich Obertöne auf – Schwingungen mit einem Vielfachen der Grundfrequenz.

Ein Riese schluckt einen Zwerg

„Zum allerersten Mal haben wir in GW190412 das unverkennbare Gravitationswellen-Brummen einer höheren Harmonischen gehört – ähnlich der Obertöne von Musikinstrumenten“, erklärt Frank Ohme vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover. Das Spannende daran: Ein solches Oberton-Schwingen sagt Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie für die Ereignisse voraus, bei denen Objekte mit ungleichen Massen miteinander verschmelzen.

Wie die Astronomen ermittelten, hat im Fall von GW190412 ein großes Schwarzen Loch mit rund 30 Sonnenmassen ein kleineres Schwarzes Loch mit etwa der achtfachen Sonnenmassen verschlungen. Dieser Massenunterschied führt dazu, dass sich beide Objekte nicht in einer perfekten Spirale umkreisen. Stattdessen „eiert“ das kleinere Schwarze Loch in der Schwerkraftsenke des größeren auf die Kollision zu – und das erzeugt die „Obertöne“ in den freigesetzten Gravitationswellen.

SChwingungsmuster
Das Schwingungsmuster der Gravitationswellen liefert auch Informationen über Bahnebene und Rotation der beiden Schwarzen Löcher. © N. Fischer, H. Pfeiffer, A. Buonanno / Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Simulating eXtreme Spacetimes (SXS) Collaboration

Eines der Schwarzen Löcher rotiert

„Dies ist das erste Doppelsystem Schwarzer Löcher bei dem wir einen so großen Unterschied zwischen den Massen beobachtet haben“, sagt Ohmes Kollege Roberto Cotesta. „Dieser große Massenunterschied bewirkt, dass wir mehrere Eigenschaften des Systems genauer messen können: seinen Abstand zu uns, den Winkel, in dem wir es betrachten, und wie schnell sich das schwere Schwarze Loch um seine Achse dreht.“

So ergaben die Analysen, dass die Verschmelzung in einer Entfernung von 1,9 bis 2,9 Milliarden Lichtjahren stattfand. Zudem deutet das Muster der Wellen darauf hin, dass das größere Schwarze Loch sich um die eigenen Achse dreht – wahrscheinlich mit einem Spin von rund 0,43. Dies liegt innerhalb des Rotationsbereichs, den die Allgemeine Relativitätstheorie für solche Schwarzen Löcher erlaubt, wie die Astronomen berichten.

„Das ist erst der Anfang“

Nach Ansicht der Astronomen könnten die ungleichen Schwarzen Löcher die Spitze eines ganzen Eisbergs sein. Denn die Beobachtung von GW190412 bedeutet, dass ähnliche Systeme wahrscheinlich nicht so selten sind, wie von einigen Modellen vorhergesagt. „Jede Mess-Saison von LIGO und Virgo hat uns bisher neue Einblicke in unser Universum eröffnet – und die dritte Laufzeit ist keine Ausnahme“, sagt Ohme. „Es ist offensichtlich, dass wir gerade erst begonnen haben, die die Vielfalt der Paare von Schwarzen Löchern dort draußen zu verstehen.“

Die Forscher gehen davon aus, dass die länger werdende Beobachtungszeit und die immer sensitiveren Detektoren das Bild dieser verborgenen Population von Schwarzen Löchern allmählich vervollständigen werden. (Preprint, arXiv:2004.08342)

Simulation der Gravitationswellenmuster bei der Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher mit ungleicher Masse.© N. Fischer, H. Pfeiffer, A. Buonanno / Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Simulating eXtreme Spacetimes (SXS) Collaboration

Quelle: LIGO, Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Gravitation - Die Urkraft des Universums

Kosmische Kollisionen - von Lars Lindberg Christensen, Davide de Martin und Raquel Yumi Shida

Schwarze Löcher - Rätselhafte Phänomene im Weltall von Cornelia Faustmann

Top-Clicks der Woche