Mit sechs Beinen gegen die Allergie: Ein winziger Käfer könnte dazu beitragen, die invasive Beifuß-Ambrosie zurückzudrängen – und so Millionen Heuschnupfen-Geplagten in Europa Linderung verschaffen. Denn dort, wo der Käfer vorkommt, stoppt er Wachstum und vor allem Pollenproduktion der allergieauslösenden Pflanze, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten. Das könnte Allergiefälle und Gesundheitskosten in Europa reduzieren.
Die aus Nordamerika eingeschleppte Beifuß-Ambrosie (Ambrosia artemisiifolia) ist bei Allergikern und Heuschnupfen-Geplagten gefürchtet. Denn der Pollen dieser invasiven Pflanze ist hochgradig allergieauslösend, gleichzeitig kann schon eine einzige Ambrosie mehr als eine Milliarde Pollenkörner freisetzen. Forscher schätzen, dass sich die Zahl der von einer Beifuß-Allergie Betroffenen in Europa bis 2050 verdoppeln wird, weil der Klimawandel die Ausbreitung der Pflanze nach Mittel- und Nordeuropa begünstigt.
„Wir haben ermittelt, dass aktuell rund 23,2 Millionen Menschen in Europa allergisch auf die Beifuß-Pollen reagieren“, berichten Urs Schaffner vom CABI-Forschungszentrum in der Schweiz und seine Kollegen. Weil die Pflanze bisher nicht in allen Regionen verbreitet ist, sind 13,5 Millionen dieser Allergiker akut betroffen, besonders viele davon in der Poebene, im Karpatenbecken und im Rhone-Tal. Für die europäischen Gesundheitssysteme verursacht dies Kosten von insgesamt rund 7,4 Milliarden Euro pro Jahr, wie die Forscher ermittelten.
Lieblingsfutter: Beifuß-Ambrosie
Doch es gibt jemanden, der der Beifuß-Ambrosie Einhalt gebieten könnte – ein kleiner Käfer. Denn der nur wenige Millimeter große Blattkäfer Ophraella communa frisst mit Vorliebe und fast ausschließlich an Pflanzen der Art Ambrosia artemisiifolia. Deshalb wird er in China schon länger gezielt gegen die Beifuß-Ambrosie gezüchtet und eingesetzt. 2013 wurde dieser Käfer auch nach Europa eingeschleppt – hier ist er bisher vor allem in Norditalien verbreitet.
Das Interessante daran: Die Präsenz des Käfers wirkt sich dort schon deutlich auf die Beifuß-Ambrosie aus: „Das Pollen-Monitoring in der Gegend von Mailand hat enthüllt, dass es seit der Etablierung von Ophraella communa einen substanziellen Abfall der Beifuß-Pollendichte in der Luft gibt“, berichten die Forscher. Gleichzeitig seien dort bis zu 100 Prozent aller Beifuß-Ambrosien von den Käfern befallen – und das so stark, dass ihre Blüte ausbleibt.
Pollenproduktion um 82 Prozent verringert
Nach Ansicht der Forscher könnte sich Ophraella communa daher auch anderswo als biologischer Helfer gegen die Beifuß-Ambrosie eignen. Um zu testen, wie effektiv der Käfer tatsächlich gegen die invasive Pflanze und ihren Pollen hilft, führten die Wissenschaftler ein Feldexperiment durch, in dem sie gezielt die Fraßschäden durch den Käferbefall bei Ambrosia artemisiifolia untersuchten. Das Ergebnis: Die Pollenproduktion der befallenen Pflanzen verringerte sich um 82 Prozent.
Doch in welchen Regionen Europas könnte sich der neu eingeschleppte Käfer künftig etablieren? Das haben Schaffner und sein Team mithilfe eines Computermodells auf Basis der Beifuß-Verbreitung und der Umweltanforderungen des Käfers untersucht. Demnach könnte sich Ophraella communa vor allem in Südosteuropa, im nördlichen Alpenvorraum und im Süden Frankreichs ausbreiten – genau dort, wo momentan die Pollenbelastung durch die Ambrosia-Pollen am höchsten ist.
Zwei Millionen Allergie-Patienten weniger
Für die Allergiebelastung durch Ambrosia-Pollen bedeutet dies: „Wenn Ophraella communa seine gesamte Umweltnische in Europa kolonisiert hat, könnte dies die Zahl der Menschen, die unter einer Beifuß-Pollen-Allergie leiden auf 11,2 Millionen verringern“, so Schaffner und seine Kollegen. „Das entspricht einer Verringerung um 2,3 Millionen Patienten und könnte zu einer Kostenreduktion von 1,1 Milliarden Euro jährlich führen.“
Behalten die Forscher Recht, dann können Allergiker in Deutschland allerdings nur zum Teil aufatmen: Zwar scheint sich der Käfer in Bayern und Baden-Württemberg halten zu können, nicht aber weiter nördlich. (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-020-15586-1)
Quelle: CABI