Biologie

Coronaviren und Fledermäuse: Koevolution seit Jahrmillionen

Virenstämme folgen dem Stammbaum der Fledermäuse, nicht der geografischen Verteilung

Flguhund
Auch dieser Rosettenflughund aus Madagaskar trägt Coronaviren in sich – welche das sind, hängt von seiner Artzugehörigkeit ab, nicht davon, welche Viren in seinem Umfeld vorhanden sind. © Oliva Noroalintseheno Lalarivoniaina

Perfekt angepasst: Fledermäuse und Coronaviren sind schon seit Jahrmillionen eng verbunden, wie Forscher herausgefunden haben. Dabei scheint nahezu jede Fledermausgattung ihre eigene Variante dieser Viren zu beherbergen. Ein Wirtswechsel der Coronaviren kommt dagegen seltener vor als angenommen – zumindest zwischen den Fledermäusen. Das aber schließt eine Übertragung auf andere Tiere oder den Menschen nicht aus, wie die Wissenschaftler betonen.

Fledermäuse leben auf nahezu allen Kontinenten und sind vielerorts wichtige Akteure im Ökosystem: Sie fressen schädliche Insekten, bestäuben Pflanzen, verbreiten Samen und bringen Nährstoffe in Böden ein. Doch die fliegenden Säugetiere haben auch eine dunkle Seite – zumindest aus Sicht des Menschen: Sie sind Wirte für viele potenziell gefährliche Viren. So gehen Ebola-Ausbrüche, SARS, MERS und auch die aktuelle Corona-Pandemie auf Fledermausviren zurück.

SARS-CoV-2
Auch SARS-CoV-2 stammt von einem Fledermaus-Coronavirus ab.© NIAID

Viren-Bestandsaufnahme zwischen Mosambik und den Seychellen

Doch wie viele Coronaviren gibt es in Fledermäusen? Und wie leicht könnten sie auf den Menschen oder andere Tiere überspringen? Eine endgültige Antwort auf diese Fragen gibt es noch nicht – zu unvollständig ist das bisherige Wissen um die Virenlast der Flattertiere. Forscher haben aber schon in vielen Fledermausarten Coronaviren nachgewiesen, sowohl in China als auch in verschiedenen Regionen Afrikas.

Jetzt haben Lea Joffrin von der Universität von Réunion und ihre Kollege eine weitere Lücke im Wissen um die Coronaviren-Verbreitung geschlossen. Sie haben erstmals eine Viren-Bestandsaufnahme bei 36 Fledermausarten aus dem ostafrikanischen Land Mosambik und von den westindischen Inseln zwischen Madagaskar und den Seychellen durchgeführt. Dafür unterzogen sie Abstiche von lebenden Tieren oder Gewebeproben von toten Fledermäusen einer RNA-Analyse.

28 verschiedene Coronaviren

Das Ergebnis: Die Fledermäuse dieser Region beherbergen eine hohe Vielfalt an verschiedenen Coronaviren, werden durch sie aber nicht krank. Joffrin und ihr Team konnten in ihren Proben RNA-Sequenzen von 25 verschiedenen Alpha-Coronaviren und drei Beta-Coronaviren nachweisen. Letztere gehören zur gleichen Gruppe wie SARS-CoV-2, SARS und die beim Menschen verbreiteten Erkältungs-Coronaviren.

Insgesamt trugen im Schnitt acht Prozent der Fledermäuse Coronaviren in sich. Die Spanne reichte von gut 20 Prozent infizierten Tieren in Mosambik bis zu weniger als einem Prozent auf den Seychellen. „Das ist aber nur eine grobe Schätzung des tatsächlichen Anteils infizierter Fledermäuse“, betont Joffrins Kollegin Camille Lebarbenchon. „Denn es gibt zunehmende Belege für starke saisonale Schwankungen in der Virenbelastung der Fledermäuse.“

„Weit zurückreichende Koexistenz“

Interessant jedoch: Welche Coronaviren eine Fledermaus in sich trug, hing nicht davon ab, wo und mit wem sie lebte, sondern zu welcher phylogenetischen Familie sie gehörte. „Wir haben herausgefunden, dass jede von uns untersuchte Familie von Fledermäusen ihre eigenen Stämme von Coronaviren hat“, berichtet Koautor Steve Goodman vom Field Museum. „Schaut man sich die evolutionäre Geschichte dieser Familien an, so wird klar, dass es eine weit zurückreichende Koexistenz zwischen verschiedenen Fledermäusen und den mit ihnen assoziierten Coronaviren gibt.“

Den Stammbaumanalysen zufolge sind die Viren und ihre jeweiligen Träger schon seit Jahrmillionen aneinander angepasst. Bestimmte Virenstämme kommen demnach immer nur bei bestimmten Fledermausgattungen vor. In der aktuellen Studie fanden sich gleiche Virenstämme daher selbst bei eng verwandten, aber geografisch weit voneinander entfernt lebenden Arten. Fledermäuse im selben Lebensraum, aber auch andere Familien teilten dagegen keine Virenstämme.

Dieses Wissen ist vor allem dann hilfreich, wenn Forscher die Herkunft eines auf den Menschen übergesprungenen Coronavirus wie SARS-CoV-2 ermitteln wollen. Von den Coronaviren der SARS-Gruppe beispielsweise weiß man, dass sie vor allem bei Hufeisennasen (Rhinolophidae) vorkommen.

Virenübertragung zwischen den Arten sehr selten

Wichtig für die Bewertung des Übertragungsrisikos ist eine weitere Erkenntnis der Studie: Offenbar kommt es nur selten zur Übertragung der jeweils spezifischen Coronaviren von der Fledermausart auf die andere. Hinweise auf eine Ansteckung fanden die Forscher nur bei Fledermäusen unterschiedlicher Gattung oder Art, die eine Schlafhöhle teilten – und selbst dort war es die Ausnahme.

„Angesichts der großen Zahl von Fledermaus-Coronaviren ist es beruhigend, dass die Übertragung von Coronaviren zwischen zwei Fledermausarten sehr selten zu sein scheint“, sagt Joffrin. „Wir müssen nun verstehen, welche biologischen, molekulare und umweltbedingten Faktoren zu diesen seltenen Artsprüngen beitragen.“

Als nächstes planen die Forscher, in ihrem Untersuchungsgebiet auch Menschen auf Coronaviren zu untersuchen. Das könnte zeigen, ob es dort schon Übertragungen von Fledermaus-Coronaviren auf Menschen gegeben hat. „Die Interaktion dieser Viren mit ihren Wirten könnte uns ein besseres Verständnis des Risikos für neuauftretende Krankheiten geben“, sagt Joffrins Kollege Patrick Mavingui. (Scientific Reports, 2020; doi: 10.1038/s41598-020-63799-7)

Quelle: Field Museum

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