Nahe Passage: Am 29. April mittags wird ein mehrere Kilometer großer Asteroid an der Erde vorbeifliegen – es ist die nächste Annäherung eines solchen Objekts in diesem Jahrhundert. Aber: Mit 3,9 Millionen Kilometern Abstand kommt uns dieser Brocken nicht näher als die 16-fache Mondentfernung – es besteht daher keine Gefahr eines Einschlags. Den Astronomen aber bietet die Passage von 1998 OR2 wertvolle Daten zur Beschaffenheit und Flugbahn des Asteroiden – denn er wird wiederkommen.
Immer wieder kreuzen größere oder kleinere Asteroiden die Erdbahn und kommen unserem Planeten sehr nahe. Einige dieser erdnahen Asteroiden, darunter der Halloween-Asteroid oder 3122 Florence sind so groß, dass ihr Einschlag eine globale Katastrophe auslösen würde – ähnlich wie beim „Dino-Killer“ vor rund 66 Millionen Jahren. Deshalb stehen die rund 15.000 bekannten erdnahen Objekte unter ständiger Beobachtung der Astronomen.
Vorbeiflug eines Riesenbrockens
Einer dieser „überwachten Riesen“ ist der 1998 entdeckte Asteroid (52768) 1998 OR2. Mit einem Durchmesser von mindestens zwei Kilometern und etwa der doppelten Länge gehört dieser Brocken zu den größten erdnahen Asteroiden. Die NASA hat ihn deshalb als potenziell gefährliches Objekt (PHO) eingestuft. In diese Gruppe kommen alle erdnahen Asteroiden, die größer sind als 140 Meter und die der Erde irgendwann einmal näher kommen als etwa 9,5 Millionen Kilometer.
Heute, am 29. April 2020, gegen zwölf Uhr mittags wird 1998 OR2 der Erde so nahe kommen wie kein weiterer Asteroid dieser Größe in den nächsten 200 Jahren: Er fliegt in rund sechs Millionen Kilometern Abstand an der Erde vorbei – das entspricht der 16-fachen Entfernung des Mondes. „Damit ist Asteroid 1998 OR2 keine Gefahr für die Erde, aber wir können bei seiner Beobachtung eine Menge lernen“, betonen Astronomen der NASA.
Asteroid mit Corona-Mundschutz
Schon seit Anfang April 2020 hat das große Arecibo-Radioteleskop in Puerto Rico seine Empfänger auf den sich nähernden Riesenbrocken gerichtet. Die Radar-Beobachtungen des Teleskops bestätigen, dass 1998 OR2 rund zwei Kilometer groß ist und dass er sich einmal in gut vier Stunden um seine Achse dreht. Gleichzeitig enthüllten die Radardaten auch erste Details seiner Oberflächenform.
Das Skurrile: Die Landschaftsformen an einem Ende des Asteroiden ähneln ein wenig einer Gesichtsmaske. „Die Rippen und Senken von 1998 OR2 sind natürlich vor allem aus Sicht der Wissenschaft faszinierend“, sagt Anne Virkki, Leiterin des planetaren Radars in Arecibo. „Aber da wir momentan alle an Covid-19 denken, sehen diese Strukturen für uns so aus, als hätte der Asteroid daran gedacht, sich einen Mundschutz aufzuziehen.“
Beobachtung wichtig für kommende Passagen
Wichtig sind die aktuellen Beobachtungen des Asteroiden aber auch, um die künftige Flugbahn des Brockens näher einzugrenzen: „Die Radarmessungen erlauben es uns, präziser zu bestimmen, wo der Asteroid in der Zukunft sein wird – auf bei den künftigen Vorbeiflügen an der Erde“, sagt Flaviane Venditti vom Arecibo Observatorium. Als Asteroid der Amor-Gruppe bewegt sich 1998 OR2 auf einer exzentrischen Umlaufbahn, die zwischen dem Jupiter und dem sonnenfernsten Punkt der Erdbahn liegt. Für einen Umlauf benötigt der Asteroid rund drei Jahre und acht Monate.
Damit ist klar, dass der heutige Vorbeiflug von 1998 OR2 nicht sein letzter sein wird. Astronomen wissen schon jetzt, dass der Asteroid im Jahr 2079 der Erde noch deutlich näher kommen wird: „2079 wird 1998 OR2 die Erde 3,5 Mal näher passieren als in diesem Jahr – es ist daher wichtig, seinen Orbit ganz genau zu kennen“, sagt Venditti. Allerdings: Auch dann liegen noch mehr als vier Mondentfernungen zwischen uns und diesem Riesenbrocken.
Wann kommen die nächsten Brocken
Am Himmel sichtbar ist 1998 OR2 leider nicht mit bloßem Auge, wohl aber mit Teleskopen. In diesen erscheint er in diesen Nächten als heller, sich langsam bewegender Lichtpunkt, während er mit mehr als 30.000 Kilometern pro Stunde an uns vorbeirast. Wer den Asteroiden auch ohne eigenes Teleskop beobachten möchte, kann dies bei einem Live-Stream des Virtual Telescope Projects tun.
Die nächsten Vorbeiflüge großer Asteroiden sind der rund zwei Kilometer große Asteroid 415029) 2011 UL21 im Juni 2024, der allerdings in etwas größerer Entfernung als jetzt 1998 OR2 an uns vorüberfliegt. Im Jahr 2029 wird zudem die nahe Passage des Asteroiden Apophis erwartet. Er ist zwar nur rund 300 Meter groß, könnte der Erde aber 2036 gefährlich nahe kommen. Die Passage von 2029 wird entscheiden, wie nah.
Quelle: Arecibo Observatory, University of Florida, NASA