Archäologie

Text auf „leeren“ Qumran-Schriftrollen entdeckt

Forscher finden hebräische Zeichen auf vermeintlich unbeschriebenen Pergamentfragmenten

Qumran-Fragment
Sah aus wie Schmutz, erweist sich aber als hebräische Schriftzeichen. Links der Buchstabe Lamed, rechts oben das Wort "Shabbat". © The University of Manchester

Unverhoffte Entdeckung: Einige vermeintlich leere Fragmente der Schriftrollen vom Toten Meer sind doch beschrieben. Forscher haben auf ihnen hebräische Buchstaben und Teile eines Bibeltextes entdeckt. Enthüllt wurden die knapp 2.000 Jahre alten Schriftzeichen erst durch Multispektral-Aufnahmen, die die mit bloßem Auge unsichtbare Ruß-Tinte offenlegten. Welche Bedeutung die Texte haben und ob es noch weitere solcher verborgener Texte gibt, wird nun untersucht.

Vor rund 70 Jahren wurden in Höhlen am Toten Meer die ersten Qumran-Schriftrollen entdeckt – Papyrusrollen und Pergamente mit Bibeltexten und Kommentaren aus der Zeit von 250 vor bis 50 nach Christus. Sie sind damit einzigartige Zeugnisse des jüdischen Glaubenslebens zur Zeit der Urchristen. Bis heute werden die kostbaren und fragilen Fragmente von Wissenschaftlern aus aller Welt untersucht und studiert.

Neben den beschriebenen Schriftrollen wurden auch viele scheinbar unbeschriebene Pergament- und Papyrusfragmente gefunden – unter anderem in einer erst 2017 entdeckten zwölften Höhle.  Das Problem: Weil die rußhaltige Tinte vieler Texte inzwischen extrem verblasst ist, ist mit bloßem Auge oft nicht erkennbar, ob ein Schriftrollen-Stück tatsächlich nie beschrieben wurde oder nur verblasst ist. Doch mithilfe neuer Bildgebungs-Techniken hatten Forscher bereits 2018 solche verborgenen Schriftzeichen auf einigen in Israel aufbewahrten Rollen-Fragmenten wieder sichtbar gemacht.

Ein verblasstes Schriftzeichen machte den Anfang

Ähnliches ist nun auch Joan Taylor vom King’s College London und ihrem Team gelungen. Sie hatte einige Pergamentfragmente aus Qumran untersucht, die in den 1950er Jahren ursprünglich zum Zweck von Materialanalysen nach Großbritannien abgegeben worden waren. Weil sie leer und unbenutzt schienen, hielt man sie für wenig wertvoll und bestens für die Materialtests geeignet. Seither lagerten sie unbeachtet in mehreren Schachteln.

Doch als Taylor nun einige dieser kleinen Fragmente noch einmal mit einer Lupe untersuchte, fiel ihr auf einem davon eine schwache Markierung auf. „Ich glaubte, einen kleinen, verblassten Buchstaben zu erkennen – Lamed, den hebräischen Buchstaben ‚L'“, berichtet Taylor. „Ehrlich gesagt dachte ich zuerst, ich bilde mir das nur ein – immerhin galten all diese Fragmente als leer.“

Vier Fragmente mit Text identifiziert

Um ganz sicher zu gehen, beschlossen die Wissenschaftler, die Vorder- und Rückseiten aller Qumran-Fragmente noch einmal mithilfe moderner Bildgebungsverfahren zu untersuchen. „Wir mussten einfach sehen, ob es da noch weitere zu enthüllende Schriftzeichen gab“, so Taylor. Sie und ihr Team fotografierten 51 Pergamentschnipsel von mehr als einem Zentimeter Größe mit einer Multispektralkamera, die Aufnahmen in verschiedenen, auch nicht sichtbaren Wellenlängen durchführt.

Und tatsächlich: Auf vier der Qumran-Fragmente fanden Taylor und ihr Team lesbare Buchstaben und Text in aramäisch, weitere Pergamentreste trugen Linien und kleine Überreste von Buchstaben. „Wir haben nur wenige Buchstaben auf jedem Fragment gefunden, aber sie sind wie fehlende Puzzleteile, die man plötzlich doch noch unter dem Sofa entdeckt“, sagt Taylor.

Textteil aus dem biblischen Buch Hesekiel

Das größte Textstück besteht aus vier Zeilen mit 15 bis 16 Buchstaben, von denen die meisten nur unvollständig erhalten sind. Klar erkennbar ist aber das Wort „Shabbat“. Auf Basis des bisher Entzifferten vermuten die Forscher, dass es sich um eine Textpassage aus dem biblischen Buch Hesekiel handeln könnte. Dort heißt es im Abschnitt 46: „So spricht Gott, der Herr: Das Osttor des Innenhofs soll an den sechs Werktagen geschlossen bleiben, nur am Sabbat und am Neumondtag soll es geöffnet werden.“

Bisher arbeiten die Wissenschaftler noch daran, alle Buchstaben und Textteile zu entziffern. Zudem sind weitere Analysen geplant. Möglicherweise erweisen sich dadurch noch weitere in England aufbewahrte Fragmente der Qumran-Schriftrollen als beschrieben.

Quelle: The University of Manchester

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