Es gibt erste positive Resultate für gleich mehrere Impfstoff-Kandidaten – sowohl in Tests mit Affen wie mit menschlichen Probanden. So haben zwei Vakzinen aus abgetöteten Coronaviren, ein DNA-Impfstoff und ein auf einem modifizierten Trägervirus basierender Impfstoff Rhesusaffen gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 geschützt. Der mRNA-Impfstoff der US-Firma Moderna produzierte beim Menschen ausreichend Antikörper, um möglicherweise eine Schutzwirkung zu erzielen.
Noch nie haben so viele Forschergruppen und Unternehmen so intensiv und so schnell nach einem Impfstoff gesucht, wie jetzt in der Corona-Pandemie. Während die Entwicklung einer Vakzine normalerweise Jahre dauert, soll ein Impfstoff gegen SARS-CoV-2 nun in wenigen Monaten marktreif gemacht werden. Denn vieles deutet darauf hin, dass die weltweite Ausbreitung des Coronavirus erst dann dauerhaft gestoppt werden kann, wenn die Bevölkerung immunisiert ist.
Momentan arbeiten Forschergruppen parallel an fast allen Varianten, mit denen man einen Impfstoff herstellen kann. Als entscheidend für die Wirksamkeit einer Vakzine gilt, dass das Immunsystem daraufhin genügend neutralisierende Antikörper produziert, denn nur diese Antikörper können das Virus am Zelleintritt und an der Vermehrung hindern. Zudem muss auch die zelluläre Immunantwort, beispielweise in Form virenzerstörender Killerzellen, aktiviert werden.
mRNA-Impfstoff erzeugt Antikörper
Für viel Aufmerksamkeit haben sogenannte mRNA-Impfstoffe gesorgt. Diese enthalten die Bauanleitung für Teile des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 in Form einer Boten-RNA (mRNA). Sie wird von den menschlichen Zellen aufgenommen und diese produzieren dann auf Basis dieses Codeschnipsels das virale Protein und setzen es im Körper frei. Dadurch kann das Immunsystem dann gezielt Antikörper gegen dieses Coronavirus-Protein bilden.
Erste Zwischenergebnisse gibt es nun für eine klinische Studie der Phase I, die die US-Firma Moderna ab März 2020 in den USA durchgeführt hat. Dabei hatten 45 Teilnehmer verschieden hohe Dosen der Vakzine mRNA-1273 erhalten. Zwei Wochen nach der Impfung zeigten sich bei allen Probanden erste Antikörper gegen das Virus, wie Moderna berichtet. Für bisher acht Teilnehmer seien nach rund fünf Wochen ähnlich hohe Konzentrationen neutralisierender Antikörper im Blut gemessen worden wie bei vielen Covid-19-Patienten nach ihrer Genesung.
„Diese vorläufigen Daten demonstrieren, dass eine Impfung mit mRNA-1273 schon in der niedrigsten Dosis von 25 Mikrogramm eine Immunantwort hervorruft, die in ihrem Ausmaß der bei einer natürlichen Infektion ähnelt“, sagt Tal Zaks von Moderna. Ob das ausreicht, um tatsächlich gegen eine Infektion zu schützen, ist aber noch offen.
Zunächst muss sich nun mRNA-1273 auch in einer Phase-II-Studie mit mehr Probanden als verträglich und immunstimulierend erweisen. Sie wurde offenbar schon von der US-Arzneimittelbehörde genehmigt und soll in Kürze beginnen, heißt es bei Moderna. Ein Test auf Wirksamkeit kann dann frühestens im Rahmen einer Phase-III-Studie erfolgen – sie ist ab Juli 2020 avisiert.
DNA-Impfstoff schützt Rhesusaffen
Aktuelle Resultate gibt es auch zu einem ebenfalls genbasierten Impfstoff, den ein US-israelisches Forscherteam entwickelt hat. Bei diesem wird statt mRNA die DNA des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 verabreicht und im Körper in das virale Protein „übersetzt“. Laut einer gerade in „Science“ publizierten Studie hat dieser DNA-Impfstoff Rhesusaffen effektiv gegen Covid-19 geschützt. Nachdem die Tiere innerhalb von drei Wochen drei Impfdosen erhalten hatten, folgte drei Wochen später der Infektionstest: Sie bekamen hohe Dosen SARS-CoV-2 in die Nase und in die Bronchien.
Das Ergebnis: Im Gegensatz zu ungeimpften Kontrolltieren erkrankten diese Affen nicht an Covid-19, auch die Virenlast in Lunge und Atemwegen war deutlich verringert, wie Dan Baruch von der Harvard University und seine Kollegen berichten. Die Rhesusaffen hatten zudem ähnlich hohe Werte an neutralisierenden Antikörpern wie genesene Covid-19-Patienten. Ob und wann eine erste Studie mit Menschen folgt, ist aber noch unklar.
… und auch ein Totimpfstoff schützt
Ähnlich erfolgreich – und schon einen Schritt weiter – sind zwei chinesische Forscherteams. Sie haben die älteste und einfachste Art genutzt, um eine aktive Immunisierung zu erzielen: einen Totimpfstoff. Dabei wird das inaktivierte Coronavirus verabreicht und löst die zur Immunisierung nötige Reaktion aus. Eines der Teams hat bereits Anfang Mai die Ergebnisse eines erfolgreichen Impfversuchs bei Rhesusaffen publiziert.
Die Affen erhielten drei Dosen mit abgetöteten SARS-CoV-2-Viren, die zuvor aus Covid-Patienten isoliert und in Zellkulturen vermehrt worden waren. Dann wurden die Tiere mit einer extrem hohen Dosis SARS-CoV-2 infiziert. Die Untersuchungen ergaben, dass die Rhesusaffen geschützt waren: Sie wurden nicht krank, entwickelten hohe Antikörperkonzentrationen und das Virus konnte sich nicht in ihrer Lunge vermehren, wie Qiang Gao von der Firma Sinovac und seine Kollegen berichten.
Eine Phase-I-Studie mit diesem PiCoVacc getauften Impfstoff-Kandidat ist bereits Mitte April in China angelaufen. Eine zweite, auf ähnliche Weise erzeugte Vakzine, ist seit Ende April schon in einem Phase-II-Test in Wuhan.
Mit einem Trägervirus gegen die Infektion
Und noch eine weitere Impfstoff-Variante hat erste vielversprechende Ergebnisse geliefert. Bei dieser wird ein harmloses Trägervirus benutzt, um das Gen für das Spike-Protein des Coronavirus in die Zellen einzuschleusen. Vakzinen nach diesem Muster existieren bereits gegen Ebola und Tuberkulose. Am weitesten fortgeschritten mit dieser Technik ist ein Team von Forscher der University of Oxford und der US-National Institutes of Health (NIH).
In einem Test mit Rhesusaffen reichte schon eine Dosis dieses ChAdOx1 getauften Impfstoff-Kandidaten, um eine „robuste“ zelluläre und Antikörper-basierte Immunantwort hervorzurufen. Nach Infektion der geimpften Affen mit hohen Dosen von SARS-CoV-2 entwickelten auch sie keine Lungenentzündung und ihre Virenlast war gering, wie die Forscher berichten. Eine Phase-I-Studie mit dieser Vakzine hat am 23. April in Großbritannien begonnen.
Keine Anzeichen für eine befürchtete Impffolge
Hoffnungsvoll bei allen diesen Ansätzen und Studien stimmt, dass die Wissenschaftler bisher keine Anzeichen für das sogenannte „antibody mediated enhancement“ (Infektionsverstärkende Antikörper) beobachtet haben. Bei dieser Impffolge kommt es nach einer Impfung zur Bildung von Antikörpern, die nur ungenau auf das Virus passen oder an einer ungünstigen Stelle andocken. Dies kann den Eintritt der Viren in die Zellen sogar erleichtern – als Folge erkranken die Geimpften nach einer Infektion sogar schlimmer als ohne Impfung.
Dieses Phänomen hatten Forscher bei Impfstoffkandidaten gegen die eng verwandten Coronaviren SARS und MERS beobachtet. Deshalb bestand die Befürchtung, dass auch bei SARS-CoV-2 eine solche Reaktion auftreten könnte. Bislang aber scheint dies – zumindest im Tierversuch – bei keinem der Kandidaten der Fall zu sein.
Wie geht es nun weiter?
Welcher der zahlreichen Impfstoff-Kandidaten letztlich alle Testphasen überstehen wird – und ob einer oder mehrere schließlich zugelassen werden und in Massenproduktion gehen wird, ist zurzeit noch völlig unklar. Experten schließen nicht aus, dass vielleicht zuerst Totimpfstoffe beispielsweise für Mediziner, Pflegekräfte und andere stark exponierten Gruppen eingesetzt werden könnten, bevor dann später ein leichter in großen Mengen herstellbarer genbasierter Impfstoff zur Verfügung steht.
Klar ist aber schon jetzt, dass es eine Corona-Vakzine für alle höchstwahrscheinlich erst Anfang 2021 geben wird – frühestens. Denn gerade die Phase-II- und Phase-III-Studien sind erheblich aufwändiger und dauern länger als die ersten Verträglichkeitstests.
Hinzu kommt: Um die Schutzwirkung zu belegen, müssen sich die Studienteilnehmer mit dem Coronavirus infizieren. Wenn die Corona-Pandemie weiter eingedämmt wird, wird dies in „freier Wildbahn“ aber zunehmend unwahrscheinlicher. Absichtliche Infektionen sind jedoch bisher bei Menschen nicht erlaubt. (Science, 2020; doi: 10.1126/science.abc1932; Science, doi: 10.1126/science.abc6284; bioRxiv, doi: 10.1101/2020.05.13.093195)
Quelle: Science, bioRxiV, Nature News