Sonnensystem

Pluto: Rätsel um rapiden Druckabfall

Zwergplanet hat in drei Jahren rund 21 Prozent seiner Gashülle verloren

Plutos Gashülle
Plutos bläulich schimmernde Stickstoffhülle hat seit 2016 rapide an Druck verloren, wie eine Messung enthüllt. © NASA/JHUAPL/SwRI

Mysteriöser Schwund: Der Zwergplanet Pluto hat in nur drei Jahren rund 21 Prozent seiner Atmosphäre verloren – unerwartet viel. Der Druck seiner dünnen, aber ausgedehnten Gashülle sank von 6,61 Mikrobar im Jahr 2016 auf 5,2 Mikrobar im Jahr 2019, wie Astronomen anhand des durch die Atmosphäre scheinenden Sternenlichts ermittelten. Warum dieser Abfall so viel stärker ausfällt als von Modellen vorhergesagt, ist bislang unklar.

Dass die Atmosphäre des Pluto in vieler Hinsicht ungewöhnlich ist, enthüllte schon der Vorbeiflug der NASA-Sonde New Horizons im Sommer 2015. So reicht die stickstoffhaltige Gashülle des Zwergplaneten bis in 1.600 Kilometer Höhe – das entspricht mehr als dem halben Durchmesser des Pluto. Zudem enthält die Atmosphäre Schwebstoffe, die sie stark herunterkühlen und dem Zwergplaneten gleichzeitig einen blauen Himmel verleihen.

Gashülle wandelt sich im Takt der Jahreszeiten

Jetzt gibt die Pluto-Atmosphäre erneut Rätsel auf. Denn sie entwickelt sich völlig anders als erwartet. Gängigen Modellen zufolge nimmt ihre Dichte im Verlauf der Jahreszeiten langsam zu und dann wieder ab. Immer, wenn die Sonneneinstrahlung der gemäßigten nördlichen Breiten zunimmt, verdampft Stickstoffeis von Plutos Oberfläche und füllt die Gashülle auf. Nimmt die Einstrahlung wieder ab, friert ein Teil des gasförmigen Stickstoffs aus und die Gashülle wird etwas dünner.

Doch den Modellen zufolge dürften diese saisonalen Schwankungen nur gering ausfallen: Ihnen zufolge gab es eine langsame Zunahme bis zum Jahr 2015 und dann eine Abnahme von nur 0,7 bis einem Prozent bis 2019, wie Ko Arimatsu von der Universität von Kyoto und seine Kollegen berichten. Einige Forscher prognostizierten sogar kaum Veränderungen oder weitere leichte Dichtezuwächse.

Druckabfall um 21 Prozent in nur drei Jahren

Was die Astronomen aber jetzt gemessen haben, widerspricht dem deutlich. Dabei kam ihnen ein glücklicher Zufall zu Hilfe. Denn am 17. Juli 2019 zog Pluto so vor dem Stern UCAC5 340-173206 vorbei, dass er ihn verdeckte. Zu Anfang und Ende dieser Sternbedeckung – Okkultation – fiel das Licht des Sterns durch die Atmosphäre des Zwergplaneten. Das Lichtspektrum erlaubte den Forschern dabei Rückschlüsse auf die Dichte und Ausdehnung der Gashülle.

Das überraschende Ergebnis: Der Druck der Gashülle war von 6,62 Mikrobar im Jahr 2016 auf nur noch 5,20 Mikrobar im Sommer 2019 gefallen. „Das entspricht einer Abnahme des Drucks um 7,1 Prozent pro Erdjahr oder um 21 Prozent für den gesamten Zeitraum“, berichten Arimatsu und sein Team. „Die von uns gemessene Abnahmerate ist damit weit größer als von den Modellen der saisonalen Entwicklung vorhergesagt.“

Welche Rolle spielt Plutos „Herz“

Aber warum? Planetenforscher gehen davon aus, dass vor allem die weite Eisebene Sputnik Planitia eine Schlüsselrolle für das Klima und die Atmosphäre des Zwergplaneten spielt. Denn diese im hellen „Herz“ des Pluto liegende Region ist von einer dicken Schicht aus Stickstoffeis bedeckt. Den Modellen zufolge treibt die dort je nach Jahreszeit wechselnde Sublimation und Kondensation dieses Gases sowohl die Winde des Pluto als auch die atmosphärischen Veränderungen an.

Das Problem jedoch: Der rapide Druckabfall der Pluto-Gashülle lässt sich allein durch dieses „Atmen“ von Sputnik Planitia nicht erklären. „Unseren Ergebnissen zufolge müsste die Kondensationsrate dieser Region signifikant höher sein als von den aktuellen Modellen vorhergesagt“, sagen Arimatsu und sein Team. Alternativ könnte es anderswo auf dem Pluto ein weiteres, bisher nicht berücksichtigtes Depot von Stickstoffeis geben, in dem in den letzten Jahren große Anteile des atmosphärischen Stickstoff ausgefroren sind.

Weitere Messungen nötig

Noch sei dies nur eine einzelne Messung mit großem Unsicherheitsfaktor, die es erst durch weitere zu belegen gilt, betonen die Astrononen. Sie appellieren daher an ihre Kollegen, den Zwergplaneten nun ebenfalls näher zu überwachen. Zwar nimmt die Häufigkeit von Sternenbedeckungen in Zukunft ab, weil sich Pluto von uns aus gesehen aus der galaktischen Ebene der Milchstraße herausbewegt. Doch leistungsstarke Teleskope könnten selbst Okkultationen lichtschwacher Sterne für solche Messungen nutzen. ( arXiv:2005.09189)

Quelle: arXiV

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