Es klingt paradox: Forscher haben ein System entwickelt, das Strom aus dem Schatten erzeugt. Das mit Gold beschichtete Siliziummaterial generiert die Elektrizität aus Lichtkontrasten. Liegen Teile dieses „Schatteneffekt-Generators“ im Schatten, andere im Licht, fließen zwischen beiden Bereichen Elektronen, die sich ableiten und nutzen lassen. In einem ersten Test erzeugte das System immerhin 1,2 Volt – genug für eine Taschenuhr.
Wenn es um die Stromerzeugung aus Licht geht, sind Schatten eher unerwünscht. Denn Solarzellen benötigen möglichst hohe Strahlungsintensitäten um ihre Nennleistung zu erreichen. In schummrigem Licht oder wenn die Photovoltaik-Paneele beispielsweise von Bäumen oder Gebäuden beschattet werden, ist die Stromausbeute dagegen gering. Das liegt auch an einem bislang eher geringen Wirkungsgrad der Solarzellen von rund 20 Prozent.
Lichtkontraste lassen Elektronen fließen
Doch jetzt demonstrieren Forscher ein System, das gerade den Schatten zur Stromerzeugung nutzt. „Das Entscheidende dafür ist der Beleuchtungskontrast, den der Schatten verursacht“, erklärt Projektleiter Tan Swee Ching von der National University of Singapore. „Dieser Kontrast erzeugt eine Spannungsdifferenz zwischen den beleuchteten und den beschatteten Abschnitten des Systems und das führt zu einem elektrischen Strom.“
Konkret bestehen die Zellen des sogenannten Schatteneffekt-Generators (SEG) aus einer dünnen Trägerfolie, auf die goldbeschichtete Siliziumwafer aufgebracht sind. „Wenn die gesamte SEG-Zelle im Schatten oder im Licht liegt, ist die erzeugte Elektrizität sehr gering oder gleich Null“, erklärt Chings Kollege Andrew Wee. „Wenn aber nur ein Teil der Zelle beleuchtet ist, lässt sich ein signifikanter elektrischer Fluss detektieren.“
Am höchsten sei die Stromausbeute, wenn die Hälfte der SEG-Zelle im Schatten, die andere in der Sonne liege. „Das gibt uns genügend Fläche für die Ladungserzeugung, aber auch für das Sammeln und Ableiten der Elektronen“, erklärt Wee.
Prototyp liefert genug Strom für eine Digitaluhr
Wie viel Strom der Schatteneffekt-Generator produzieren kann, haben die Forscher an einem Streifen aus vier solcher Zellen getestet. „Ohne jede Optimierung hat unser Generator unter Indoor-Bedingungen mit 0,001 Prozent der Sonneneinstrahlung und anhaltenden Schatten eine Leistungsdichte von 0,14 Mikrowatt pro Quadratzentimeter“, berichten Ching und sein Team. „Das ist 200 Prozent besser als eine kommerzielle Silizium-Solarzelle unter diesen Bedingungen.“
Der vierzellige Schatteneffekt-Generator produzierte unter Innenraum-Lichtbedingungen und halber Beschattung mit rund 1,2 Volt genügend Spannung, um eine digitale Uhr anzutreiben, wie die Forscher berichten. „Dieses neue Konzept der Energiegewinnung durch die Präsenz von Schatten ist völlig neu und beispiellos“, sagt Ching.
Strom für mobile Geräte und Einsatz als Sensor
Nach Ansicht der Wissenschaftler nach könnte dieses System künftig durchaus genügend Strom erzeugen, um beispielsweise Smartwatches, Handys und andere mobile Geräte zu versorgen oder aufzuladen. Parallel dazu könnte der Schatteneffekt-Generator auch als Bewegungs- oder Annäherungssensor eingesetzt werden, sagen die Wissenschaftler. Denn anhand der sich verändernden Beschattung reagiert er auf Bewegungen – vorausgesetzt, das bewegte Objekt oder der Mensch erzeugen einen Schattenwurf.
„Mit seiner Kosteneffizienz, Einfachheit und Stabilität bietet unser Schatteneffekt-Generator eine vielversprechende Architektur, um Elektronik mit grüner Energie aus Umgebungsbedingungen zu versorgen oder smarte Sensorsysteme beispielsweise in Gebäuden zu ergänzen“, konstatieren die Forscher.
Als nächstes wollen Ching und sein Team nun weitere Materialien auf ihre Eignung als Schatteneffekt-Generatoren testen. Ziel ist es dabei, die Goldbeschichtung durch ein anderes, weniger teures Material zu ersetzen. Außerdem wollen die Forscher untersuchen, ob und wie sich solche Schatteneffekt-Generatoren zur tragbaren Stromerzeugung anpassen lassen, beispielsweise integriert in Kleidung. (Energy & Environmental Science, 2020; doi: 10.1039/D0EE00825G)
Quelle: National University of Singapore