Medizin

Wie E-Zigaretten die Mundflora verändern

Dampf begünstigt entzündungsfördernde Bakterien und Biofilme

Vaping
Der Dampf von E-Zigaretten verändert die Mundflora – leider nicht zum Besseren. © patrisyu/ iStock.com

Unguter Effekt: E-Zigaretten beeinflussen die Bakterien im Mund auf ungesunde Weise, wie US-Forscher herausgefunden haben. Demnach bilden die Bakterien verstärkt hartnäckige Biofilme und verändern ihre Artzusammensetzung ähnlich wie bei Menschen mit chronischer Zahnfleischentzündung. Auslöser dafür ist aber nicht das Nikotin, sondern andere Inhaltsstoffe der Vaping-Liquids, wie die Forscher im Fachmagazin „Science Advances“ berichten.

E-Zigaretten liegen im Trend, denn sie gelten als gesündere Alternative zum Tabakrauchen und sollen beim Abgewöhnen helfen. Doch auch der Dampf beim Vaping ist nicht komplett gefahrlos: Er kann zellschädigende Substanzen enthalten, die Mundschleimhaut und Blutgefäße angreifen. Zudem gibt es erste Hinweise darauf, dass der Dampf der E-Zigaretten krankmachende Bakterien aggressiver machen kann.

„Dampfern“ in den Mund geschaut

Wie die Nutzung von E-Zigaretten auf die Mundflora wirkt, haben nun Forscher um Sukirth Ganesan von der Ohio State University in Columbus untersucht. „Die Mundhöhle beherbergt ein offenes mikrobielles Ökosystem mit mehr als 700 Bakterienarten“, so die Forscher. Wie diese Gemeinschaft zusammengesetzt ist, beeinflusst unter anderem das Kariesrisiko, aber auch ob man an Zahnfleischentzündungen und Parodontitis leidet.

Für ihre Studie nahmen die Wissenschaftler Proben aus den Zahnfleischtaschen von 123 jungen, gesunden Probanden. Von den 72 Teilnehmern, die Verdampfer nutzten, hatten 20 zuvor nicht geraucht, 25 waren ehemalige Raucher und 28 praktizierten beides. Die restlichen Teilnehmer waren Raucher oder komplette Nichtraucher. Alle Proben wurden auf Artzusammensetzung und Menge der Bakterien untersucht, außerdem auf Botenstoffe und Entzündungsmarker.

Mundflora ähnlich wie bei Zahnfleischentzündungen

Das Ergebnis: Die Mundflora der E-Zigaretten-Nutzer unterschied sich deutlich von der der beiden anderen Gruppen. Ähnlich wie bei den Rauchern war der Anteil potenziell krankmachender Bakterien erhöht und es gab vermehrt Anzeichen für eine entzündungsfördernde Immunreaktion. Die Artenzusammensetzung und die Immunbotenstoffe unterschieden sich jedoch.

„Das Ausmaß der Entzündungsreaktion bei beiden Gruppen ist gleich, aber die Art der Moleküle und damit auch die Wege, über die Rauchen und E-Zigaretten die Immunreaktion stimulieren, sind völlig anders“, berichtet Ganesans Kollegin Purnima Kumar. In beiden Fällen ähnelten Mundflora und Zahnfleischreaktion aber der von Menschen, die bereits an Zahnfleischentzündungen leiden.

„Auf molekularer Ebene haben E-Zigaretten-Nutzer bereits begonnen, sich den Veränderungen anzunähern, die wir bei Menschen mit etablierter Parodontitis sehen“, sagt Kumar.

Unterm Biofilm versteckt

Ein auffallendes Symptom dieser Veränderungen war die schnelle Bildung hartnäckiger Biofilme. Für diese setzen die Bakterien größere Mengen an zähem Schleim frei, in dem sie vor äußeren Einflüssen geschützt sind. „Gesunde harmlose Bakterien im Mund erinnern im Aussehen ein wenig an Popcorn“, erklärt Kumar. „Aber wenn man beginnt, E-Zigaretten zu nutzen, dann sehen sie eher so aus, als wären sie in Beton eingegossen.“ Das aber führe dazu, dass das Immunsystem diese Mikroben nicht mehr als harmlos erkenne und daher eine entzündliche Reaktion auslöse, um sie loszuwerden.

Diese Veränderungen in Mundflora und Immunreaktion beobachteten die Forscher sowohl bei E-Zigaretten-Nutzern, die nie zuvor geraucht hatten, als auch bei Rauchern, die auf E-Zigaretten umgestiegen waren. „Wenn man aufhört zu rauchen und dafür aufs Vaping umsteigt, bekommt man nicht die gesunde Mundflora zurück, sondern wechselt auf das bakterielle Profil der E-Zigaretten-Nutzer“, so Kumar. Dies sei auch der Fall, wenn Menschen sowohl Zigaretten als auch E-Zigaretten nutzen.

Nikotin ist nicht (nur) der Täter

Doch was im Dampf der E-Zigaretten ist die Ursache? Einen ersten Hinweis lieferte der Vergleich von Teilnehmern, die Liquids mit und ohne Nikotin verwendeten. Das überraschende Ergebnis: Der Nikotingehalt spielt kaum eine Rolle für die Effekte. „Das war ziemlich unerwartet, weil Beobachtungen mit Rauchern einen dosisabhängigen Effekt des Nikotins nahelegten“, berichten Ganesan und seine Kollegen. „Selbst ohne Nikotin hat das Vaping demnach einen ziemlich deutlichen Einfluss auf die Bakteriengemeinschaften unseres Mundes.“

Mehr Aufschluss über die „Übeltäter“ lieferten dann ergänzende Experimente mit Mundschleimhautzellen in Kultur. Diese wurden mit der typischen Bakterienmischung gesunder Menschen beimpft, anschließend leiteten die Forscher den Dampf verschiedener Liquids darüber. Dabei fanden die Forscher Indizien dafür, dass dies den Kohlenstoff- und Zuckerstoffwechsel der Mikroben anregte – und zwar bei allen Liquids.

Demnach scheinen die Mikroben vor allem das Glykol und Glycerin in den Verdampfer-Flüssigkeiten zu verarbeiten. „Die Biofilm-Produktion erfordert viel Energie und Kohlenstoff“, erklären die Forscher. Den Nachschub daran decken die Mikroben in diesem Fall offenbar aus den Chemikalien im Dampf. (Science Advances, 2020; doi: 10.1126/sciadv.aaz0108)

Quelle: Ohio State University

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