Paläontologie

Älteste Fossilien eines Parasiten

Schon vor 540 Millionen Jahren stahl ein Tier dem anderen die Nahrung weg

Dieser urzeitliche Armfüßer wurde von Parasiten geplagt: Die in den weißlichen Röhren sitzenden "Schmarotzer" fraßen ihm die herangestrudelte Nahrung weg. © Zhifei Zhang/ Northwest University

Urzeitliche Schmarotzer: Schon vor 540 Millionen Jahren gab es Tiere, die auf Kosten anderer lebten. Ihre jetzt in China entdeckten Fossilien sind der älteste Nachweis einer parasitischen Lebensform. Diese Parasiten bauten ihre Wohnröhren auf den Schalen von Armfüßern und schnappten ihnen dabei einen Teil der herangestrudelten Nahrung weg. Sie waren demnach sogenannte Kleptoparasiten, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Sie plagten schon die Dinosaurier, befielen eiszeitliche Raubtiere und tummeln sich bis heute in den Gedärmen unzähliger Tierarten: Parasiten sind in der Natur nahezu allgegenwärtig. Auch wir Menschen sind vor parasitischen Würmern, zahnfleischfressenden Amöben und anderen Einzellern nicht gefeit. Doch wann die ersten Lebewesen diese Lebensweise auf Kosten anderer entwickelten, war bislang unklar.

Fossil
540 Millionen Jahre alte Armfüßer-Schale mit den streifenförmigen Röhrenrelikten aufsitzender Organismen. © © Zhifei Zhang/ Northwest University

Verkrustete Wohnröhren auf Armfüßer-Schalen

Jetzt könnte eine Entdeckung in der chinesischen Provinz Yunnan diese Frage klären. Zhifei Zhang von der Nordwest-Universität in Xi’an und seine Kollegen haben dort in einer rund 541 Millionen Jahre alten Gesteinsformation die Relikte der möglicherweise ältesten bekannten Parasiten gefunden. In dieser Fundstätte sind tausende Schalen urzeitlicher Armfüßer (Brachiopoda) erhalten – Tiere mit muschelähnlichen Schalen, die Nahrung mit einem gelappten Armapparat zu sich heranstrudelten.

Doch viele Schalen dieser fossilen Armfüßer trugen einen ungewöhnlichen Aufwuchs in Form von einer oder mehreren grauweißen, röhrenartigen Krusten, wie Zhang und seine Kollegen berichten. Diese Wohnröhren fanden sich nur auf den Brachiopodenschalen, nicht aber auf Trilobitenpanzern oder anderen Tierresten. Wer allerdings einst in diesen Röhren wohnte, lässt sich nicht mehr feststellen – es sind keine Weichteile erhalten.

Öffnungen zum Nahrungsstrom ausgerichtet

Auffallend jedoch: Alle Röhren waren so auf den Armfüßer-Schalen angeordnet, dass sie mit ihrer Öffnung leicht über die Schalenöffnung hinausragten. Keine einzige Röhre öffnete sich dagegen zum Gelenk der Schalen hin. Zudem lagen die meisten Röhren leicht seitlich von der Mittellinie der Armfüßer-Schalen. Nach Ansicht von Zhang und seinem Team spricht dies dafür, dass die Röhren und ihre Bewohner zum Nahrungsstrudel der Armfüßer hin ausgerichtet waren.

Das könnte darauf hindeuten, dass es sich hier um Nahrungsparasiten handelte, theoretisch könnten es aber auch harmlose Aufsitzer gewesen sein. Um dies zu klären, haben Zhang und sein Team einen zusätzlichen Vergleich angestellt: Sie haben untersucht, ob sich gut 200 mit Röhren besetzte Schalen in Größe und Masse von gut 200 röhrenfreien unterschieden. Denn wenn die Röhrenbewohner Parasiten waren, müsste ihre Präsenz die Fitness ihrer Wirte geschmälert haben.

Parasitismus im Kambrium-Meer.© Zhifei Zhang/ Northwest University, Xian Lawrence Animation

Beleg für Parasitismus

Dies war tatsächlich der Fall: Die Armfüßer-Schalen mit Röhren wiesen eine deutlich geringere Biomasse und Größe auf als die ohne. „Die Bekrustung resultierte in einer im Schnitt um 26 Prozent verringerten Fitness“, berichten Zhang und seine Kollegen. „Diese Analyse belegt damit, dass dieser röhrenbewohnende Organismus die Fitness seines Wirts direkt beeinträchtigte.“

Das aber bedeutet: Die Röhrenbewohner waren Parasiten der Armfüßer. „Unsere Ergebnisse repräsentieren den ersten definitiven und von der Statistik gestützten Beleg für Parasitismus aus dem Kambrium“, konstatieren die Wissenschaftler. „Sie zeigen, dass Parasit-Wirts-Systeme zur damaligen Zeit schon fest etabliert waren. Das wiederum spricht dafür, dass diese Art der Interaktion sogar noch früher entstanden ist.“

Nahrungsklau im Urzeit-Meer

Doch wie sah diese frühe Form des Parasitismus konkret aus? Anhand der Position der Röhren und der Nahrungsstrategie der Armfüßer schließen die Paläontologen, dass die Röhrenbewohner wahrscheinlich sogenannte Kleptoparasiten waren – Tiere, die anderen die Nahrung stehlen.

„In unserem Szenario agieren die Röhrenbewohner als Abfangfresser – sie stehlen einen Teil des herangestrudelten Nahrungsstroms, bevor dieser den Fransensaum der Brachiopoden-Schalen erreicht“, erklären Zhang und sein Team. Sollte sich dies bestätigen, dann wäre diese Art des Parasitismus schon mehr als eine halbe Milliarde Jahre alt. (Nature Communications, 2020; doi: 10.1038/s41467-020-16332-3)

Quelle: Nature

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