Im schwedischen Äspö blicken Mikrobiologen schon seit mehr als zwei Jahrzehnten in die Tiefe: Sie erforschen die Bakterien, die im Granitfels des dortigen Untergrunds leben. Sie wollen vor allem wissen, ob und wie die winzigen Granitbewohner Einfluss auf die unterirdische Lagerung von radioaktiven Abfällen haben könnten. Denn weltweit suchen Wissenschaftler zurzeit nach geeigneten Gesteinsformationen und Standorten für atomare Endlager.
Die Entdeckung der Tiefen Biosphäre wirft in diesem Kontext nun neue Fragen auf: Könnten die Mikroben die Metallbehälter der Brennelemente womöglich beschädigen oder zersetzen? Fördern oder hemmen sie die Verbreitung von ausgetretenen Radionukliden im Untergrund oder Grundwasser?
„Sauerstoffzehrer“ als Helfershelfer
Eine der Hauptursachen für Korrosion der Lagerbehälter ist die Anwesenheit von Sauerstoff im Grundwasser oder Untergrund. Normalerweise ist in Tiefen von 500 Metern kein Sauerstoff vorhanden. Im Laufe der Bauarbeiten an einem Endlager wird allerdings Luft in die unterirdischen Tunnel gepumpt – und damit auch Sauerstoff. Wird das Lager verschlossen und füllt sich wieder mit Grundwasser, löst sich dieser Sauerstoff und wird zu einer potenziellen Gefahr für die Behälter.
Im Rahmen des so genannten Rex-Projektes (Redox Experiment in a Detailed Scale) haben Wissenschaftler der Universität Göteborg erforscht, ob vielleicht die „ortsansässigen“ Bakterien und Mineralien den eingedrungenen Sauerstoff beseitigen können. Und tatsächlich deuteten die ersten Ergebnisse darauf hin, dass die Mikroben nicht nur keinen Schaden anrichten, sondern sogar eine entscheidende Rolle als „Sauerstofffresser“ spielen. Nach Schätzungen der Forscher könnte schon ein Jahr nach Versiegelung des Lagers der gesamte Sauerstoff aufgebraucht sein.
„Leckfänger“ im Untergrund
Möglicherweise geht der Nutzen der „unterirdischen Hilfskräfte“ sogar noch weiter: Laborversuche haben gezeigt, dass die Bakterien der Tiefen Biosphäre auch dann einspringen könnten, wenn das Unglück schon passiert ist – wenn Radionuklide durch ein Leck ins Grundwasser ausgetreten sind. Eisen- und Mangan oxidierende Bakterien wirken demnach wie kleine Filter und halten die radioaktiven Partikel im Untergrund fest. Andere Mikroben wiederum bilden bestimmte Kittsubstanzen, die verhindern, dass sich die Radionuklide an Mineraloberflächen des Gesteins binden.
Und auch bei radioaktiven Lecks in Salzstöcken könnten Mikroben als Helfer einspringen, wie Miriam Bader vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und ihre Kollegen 2019 herausfanden. Demnach erweisen sich die in der Sole solcher Salzstöcke lebenden Haloarchaeen als effektive Biomineralisierer: Sie können gelöstes Uran binden und in unlösliche Verbindungen überführen. In einem Laborexperiment lagerten sich die Uranmoleküle schon nach kurzer Zeit an den Zellwänden der Mikroben an, reagierten dort mit Phosphat und bildeten so Kristalle aus unlöslichen Uranylphosphat-Mineralen.
„Diese Haloarchaeen bilden quasi ein natürliches Wachpersonal für nukleare Abfälle und können recht wirkungsvoll verhindern, dass Uran und andere hochradioaktive Schwermetalle bei einem Wassereinbruch vom Endlager in die Umwelt gelangen“, konstatiert Bader. Allerdings: Richtig effektiv war die mikrobielle Schutztruppe nur bei geringen Konzentrationen der radioaktiven Schwermetalle.