Am Rand des Begreifbaren: Schwarze Löcher könnten einem Hologramm ähneln, postulieren Physiker. Dadurch bliebe am Ereignishorizont quasi nur ein zweidimensionaler „Schatten“ dessen zurück, was ins Innere fällt. Diese schon von Stephen Hawking postulierte Idee haben nun Physiker mithilfe der Stringtheorie konkretisiert. Ihr Modell könnte die Diskrepanzen zwischen der Quantentheorie und Einsteins Relativitätstheorie für diese Objekte beheben.
Was passiert mit Materie und Strahlung, die in ein Schwarzes Loch fällt? Nach klassischer Vorstellung ist dies ein Weg ohne Wiederkehr: Alle Information geht hinter dem Ereignishorizont verloren, weil nichts zurück nach außen dringen kann. Das jedoch widerspricht den Gesetzen der Quantenmechanik, nach der Information im Kosmos nie gänzlich verloren gehen kann. Sie kann sich nur in andere Formen umwandeln – und sei es in Entropie.
Hologramm als Lösungsansatz
Dieses „Informations-Paradox“ bei Schwarzen Löchern bereitet Physikern schon seit Jahrzehnten Kopfzerbrechen. Auch der britische Physiker Stephen Hawking widmete einen großen Teil seiner Zeit diesem Problem – und schlug bereits im Jahr 2015 eine mögliche Lösung vor. Demnach wird die Information am Ereignishorizont in eine „abgeflachte“, um eine Dimension reduzierte Form umgewandelt. Physiker bezeichnen diese Umwandlung als Supertranslation.
Im Prinzip bildet sich dadurch am Ereignishorizont eine Art Hologramm der vom Schwarzen Loch verschluckten Information. „Die Idee ist, dass diese Supertranslationen ein Hologramm der einströmenden Teilchen bilden“, erklärte Hawking. Dies könnte das Paradox auflösen, weil zwar die Information als holografischer „Schatten“ erhalten bleibt, aber ihre Urheber trotzdem unwiederbringlich verloren sind.
Dimension der Gravitation „herausgekürzt“
Diese Theorie eines „Hologramms“ am Schwarzen Loch haben nun Francesco Benini und Paolo Milan vom Internationalen Zentrum für fortgeschrittene Studien (SISSA) in Triest mithilfe der String-Theorie konkretisiert. Dieser Theorie zufolge gehen alle Teilchen und alle Materie auf verschiedene Vibrationszustände winziger, mehrdimensionaler Fädchen zurück. Die Vorgänge am Ereignishorizont lassen sich dann durch spezielle Zustände der Strings und das „Hologramm-Prinzip“ physikalisch beschreiben.
„Das holografische Prinzip erlaubt es uns, die Gravitation mit einer Formelsprache zu beschreiben, die die Gravitation nicht enthält“, erklären Benini und Milan. „Dadurch kann das Verhalten der Gravitation in einem gegebenen Teil des Raums mit Gleichungen eines Systems ausgedrückt werden, das eine Dimension weniger besitzt und nur am Rand dieser Region vorkommt – wie bei einem Schwarzen Loch.“ Physiker bezeichnen diese reduzierte Variante des Universums als anti-de-Sitter-Raum.
Quantentheorie und Einstein vereint
Mithilfe dieses Prinzips haben die Physiker ein Gleichungsmodell entwickelt, das die Vorgänge am Ereignishorizont rotierender, elektrisch geladener Schwarzer Löcher beschreiben kann. Ihr Modell erfüllt die Forderungen der Quantenmechanik, lässt sich aber auch mit Einsteins Relativitätstheorie vereinbaren, wie Benini und Milan erklären. „Unsere Methode eröffnet einen Weg zur quantitativen Erforschung der Quanteneigenschaften von Schwarzen Löchern in diesem anti-de-Sitter-Raum“, so die Forscher.
Nach Ansicht der Physiker demonstriert ihr Modell, dass es prinzipiell möglich ist, das holografische Prinzip auf Schwarze Löcher zu übertragen. „Aber dies ist nur ein erster Schritt hin zu einem tieferen Verständnis dieser kosmischen Phänomene und ihrer Eigenschaften an der Schnittstelle von Quantenmechanik und Relativitätstheorie“, konstatieren Benini und Milan.
Ließe sich das beweisen?
Angesichts der großen Fortschritte in der Astronomie halten die Forscher es für möglich, dass ihre und andere Lösungsmodelle des Informations-Paradoxons bald ganz praktisch überprüft werden können. Denn die Fortschritte bei der Detektion von Gravitationswellen und auch das erste Foto eines Schwarzen Lochs demonstrieren die schnelle Entwicklung der Beobachtungstechnologien.
„Schon in der nahen Zukunft könnten wir daher imstande sein, unsere theoretischen Vorhersagen durch Beobachtungen zu testen“, so Benini und Milan. „Aus wissenschaftlicher Sicht wäre das ein absolutes Ausnahmeereignis.“ Bis dahin allerdings bleibt es bei Modellen und Spekulationen. (Physical Review X, 2020; doi: 10.1103/PhysRevX.10.021037)
Quelle: Scuola Internazionale Superiore di Studi Avanzati, American Physical Society