Umwelt

Plastikmüll: Selbst nach 20 Jahren in der Tiefsee noch wie neu

Verpackungsmüll überdauert am Meeresgrund Jahrzehnte ohne Degradatation

Plastikmüll
Zwei Plastikmüll-Teile am Meeresgrund in 4150 Meter Tiefe – sie zeigen keine Anzeichen von chemischem oder biologischen Abbau. © ROV-Team/GEOMAR

Schmutziges Erbe: Der Plastikmüll im Ozean könnte noch Generationen überdauern. Denn selbst nach gut 20 Jahren in der Tiefsee bleiben Kunststoffverpackungen fast unverändert, wie Forscher bei einer Tiefseeexpedition herausgefunden haben. Eine dabei entdeckte Plastiktüte und ein Quarkbehälter hatten die Zeit in gut 4.000 Meter Tiefe ohne Zersetzung oder chemische Veränderung überstanden – trotz extremer Bedingungen und dichter Mikrobenbesiedelung.

Ob in der Arktis, im Tiefseegraben oder als schwimmender Müllstrudel im Pazifik: Die Ozeane sind voller Plastikmüll und Mikroplastik. An manchen Stellen des Meeresbodens erreicht die Kunststoffdichte sogar schon 1,9 Millionen Plastikpartikel pro Quadratmeter. Weil die Kunststoffe kaum biologisch abbaubar sind und die UV-Strahlung der Sonne vielen Polymeren nichts anhaben kann, könnten beispielsweise Legosteine sogar mehr als tausend Jahre überdauern. Doch wie lang Plastik unter den speziellen Bedingungen der Tiefsee erhalten bleibt, war bislang unklar.

Plastikbecher
Diese Quarkverpackung lag mehr als 20 Jahre auf dem Meeresgrund. © Matthias Haeckel/ GEOMAR

20 Jahre alter Quarkbecher und Plastiktüte

Jetzt hat ein Zufall dazu erste Informationen geliefert. Eigentlich wollten Stefan Krause vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und seine Kollegen im Pazifik vor der Küste Perus untersuchen, wie sich Tiefseebergbau langfristig auswirkt. Dafür hatten Kollegen vor fast 25 Jahren im sogenannten DISCOL-Gebiet ein Stück Tiefseegrund in gut 4.100 Meter Tiefe umgepflügt.

Doch als die Forscher dieses Gebiet mit einem Tauchroboter untersuchten, machten sie einen unerwarteten Fund: Am Meeresgrund lag neben weiteren Plastikteilen ein Quarkbecher, der zwischen 1990 und 1999 in Deutschland hergestellt worden sein muss. Unweit davon fand der Roboter eine Plastiktüte mit einer Cola-Dose, die zu einer Sonderedition anlässlich des Davis-Cups 1988 gehörte.

Keine Hinweise auf chemischen Abbau

Für Krause und seine Kollegen war dies eine perfekte Chance, sich anzuschauen, wie diese Kunststoffobjekte die Zeit am Meeresgrund überstanden hatten. Sie bargen die Plastikteile und untersuchten ihren Zustand mithilfe der Ramanspektroskopie. Dieses lasergestützte Verfahren verrät die molekulare Zusammensetzung eines Materials und konnte so Aufschluss darüber geben, ob und wie sich die Polymere von Quarkbecher und Plastiktüte verändert haben.

Das Ergebnis: „Dabei zeigte sich, dass weder die Tüte noch die Quarkpackung Zeichen von Fragmentierung oder sogar Abbau in ihre Bestandteile aufwiesen“, berichtet Krause. Das Polyethylen der Tüte zeigte keinerlei Anzeichen für eine chemische oder physikalische Degradierung. Auch beim Quarkbecher aus Polystyrol mit einer PET-Beschichtung fanden die Wissenschaftler keine Abbauspuren. Sogar die aufgedruckte Beschriftung war noch gut lesbar.

Mikroben konnten dem Kunststoff nichts anhaben

Unbelebt waren die beiden Plastikteile aber nicht: Nähere Analysen enthüllten, dass sich auf beiden Objekten ein dichter Biofilm aus Bakterien gebildet hatte. „Dieser Biofilm bedeckte die gesamte Oberfläche, unabhängig vom Polymer-Typ“, berichten Krause und seine Kollegen. Weil frühere Studien schon gezeigt haben, dass solche Biofilme innerhalb weniger Tage entstehen, gehen sie davon aus, dass die Plastikteile schon seit gut 20 Jahren von den Mikroben besiedelt sind.

Für den Kunststoff hatte dies jedoch keine messbaren Folgen. „Es ist offensichtlich, dass die mikrobielle Zersetzung die Stabilität der Polymere nicht beeinträchtigt hat – selbst nach mehr als zwei Jahrzehnten in der Tiefsee nicht“, sagen die Wissenschaftler. Insgesamt schließen sie aus diesen Beobachtungen, dass Plastik in der Tiefsee sehr lange erhalten bleibt – möglicherweise sogar Jahrhunderte bis Jahrtausende. (Scientific Reports, 2020; doi: 10.1038/s41598-020-66361-7)

Quelle: GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel

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