Nanotechnologie

Der kleinste Motor der Welt

Rotor und Halterung bestehen zusammen aus nur 16 Atomen

Nano-Motor
Zwölf Atome als Unterlage, vier Atome als Rotor: So sieht der kleinste Motor der Welt aus. © Empa

Rotor in der Quantenwelt: Forscher haben einen Motor konstruiert, der insgesamt nur aus 16 Atomen besteht – er ist damit der bislang kleinste Motor der Welt. Angetrieben wird das Gebilde aus einem festen Rumpfmolekül und einem darauf liegenden Acetylen-Rotor durch Wärme oder Strom. Wegen seiner geringen Größe kommt es jedoch auch zu einem Quantentunneln, das den Motor unterhalb der eigentlich nötigen Energieschwelle zum Drehen bringt.

Ob Nano-Autos, molekulare U-Boote oder ein winziger Rotor aus nur einem Molekül: Nano-Motoren eröffnen ganz neue Möglichkeiten, Bewegungen im Reich der Moleküle zu kontrollieren und für spezielle Anwendungen zu nutzen. Sie realisieren die Vision des Physikers Richard Feynman, der schon in den 1950er Jahren postulierte, dass sich Maschinen, Motoren und sonstige technische Bauteile eines Tages bis in winzigste Maßstäbe verkleinern lassen würden.

Rotor in Aktion
Rastertunnel-Aufnahmen (oben) und Schema des Acetylen-Rotors in drei verschiedenen Rotationszuständen. © Empa

Vier Atome für den Rotor, zwölf für die Halterung

Den bislang kleinsten Nano-Motor haben nun Forscher um Samuel Stolz von der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) konstruiert. Der drehbare Rotor mit festem Unterbau ist weniger als einen Nanometer groß, das Ganze umfasst nur 16 Atome. Der nichtdrehbare Stator besteht aus einem dreischichtigen Türmchen aus drei Palladium-, sechs Gallium- und wieder drei Palladiumatomen.

Den Rotor bildet ein Acetylen-Molekül (C2H2), das auf den oberen drei Palladiumatomen aufliegt. Durch die molekularen Wechselwirkungen der leicht asymmetrischen Unterlage benötigt dieser Rotor beim Drehen in einer Richtung weniger Energie als in der anderen – dies gibt die bevorzugte Drehrichtung vor. „Der Motor weist deshalb eine Drehrichtungstreue von 99 Prozent auf, was ihn von anderen ähnlichen molekularen Motoren unterscheidet“, erklärt Stolz‘ Kollege Oliver Gröning.

Schon ein Elektron bewegt den Rotor

Angetrieben wird der Nano-Motor entweder von Wärmeenergie oder von elektrischer Energie. Der Rotor setzt sich schon in Bewegung, wenn es mehr als 17 Kelvin warm wird – bei Raumtemperatur rotiert er mehrere Millionen Mal pro Sekunde. Er dreht sich aber auch, wenn über die Spitze eines Rastertunnel-Mikroskops ein geringer Strom fließt. Dabei reicht schon ein Elektron aus, um den Rotor um eine sechstel Umdrehung zu rotieren, wie Stolz und seine Kollegen berichten.

Allerdings: Bekommt der Nano-Motor zu viel Energie, geht die gerichtete Drehbewegung in zufällige Rotation über. Denn bei einem großen Energieüberschuss spielt es keine Rolle mehr, dass die Drehung in eine Richtung etwas mehr Anschub benötigt als in die andere.

Quantentunneln überwindet Startschwelle

Doch es gibt noch ein Regime, unter dem sich der Nano-Motor bewegt – obwohl er es eigentlich nicht dürfte. Denn wie die Forscher beobachteten, rotiert der Rotor auch schon unterhalb der eigentlich kritischen Schwelle von 17 Kelvin oder 30 Millivolt mit einer gleichbleibenden, stabilen Frequenz. Aber warum? Eigentlich reicht die Energiezufuhr unter diesen Bedingungen nicht aus, um den Startwiderstand zu überwinden.

Die Lösung dieses Rätsels ist die Quantenwelt: Mit seiner extrem geringen Größe bewegt sich dieser Nano-Motor in einem Bereich, in dem nicht nur die Gesetze der klassischen Physik gelten, sondern auch die der Quantenphysik. Und nach ihren Regeln müssen Teilchen Hindernisse „durchtunneln“ – sie überwinden Barrieren selbst dann, wenn die Energie dafür im klassischen Sinn nicht ausreicht.

Möglich wird dies, weil die Position eines Teilchens in der Quantenwelt durch Wahrscheinlichkeiten beschrieben wird. Weil dabei immer eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht, dass das Teilchen sich gerade jenseits der Barriere aufhält, werden auch vermeintlich antriebslose Bewegungen möglich. „Wegen seiner geringen Größe unterschreitet unser Rotor die Schwelle zwischen dem wohlbekannten klassischen Regime und einem unvorhersehbaren Quantentunnel-Regime“, so Stolz und sein Team.

So funktioniert der kleinste Motor der Welt.© Empa

Kostet Tunneln doch Energie?

Erstaunlich jedoch: Unter diesen Quantenbedingungen dreht sich der Nano-Motor zu 99 Prozent in nur einer Richtung. Das aber widerspricht den gängigen Annahmen über das Tunneln, nach der dieses Quantenphänomen keine Energie kostet. „Wenn beim Tunneln keine Energie verloren geht, müsste die Drehrichtung des Motors rein zufällig sein“, sagt Gröning. „Dass die Drehung des Motors nach wie vor fast ausschließlich in eine Richtung abläuft, deutet also darauf hin, dass auch bei der Tunnelbewegung ein Energieverlust stattfindet.“

Damit eröffnet dieser Nano-Motor die Chance, die Vorgänge und Energieflüsse beim Tunneln quasi auf frischer Tat zu beobachten. Das neue Konstrukt ist damit weit mehr als nur ein Spielzeug für Molekularbastler. „Der Motor könnte es uns ermöglichen, die Vorgänge und Gründe von Energiedissipation bei Quantentunnelvorgängen zu untersuchen“, erklärt Gröning. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2020; doi: 10.1073/pnas.1918654117)

Quelle: Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa)

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