Anders als gedacht: Die Eier der frühen Dinosaurier hatten doch noch keine Kalkschale. Stattdessen ähnelten sie denen der Schlangen und Echsen – ihre Hülle war weich und ledrig. Indizien dafür liefern nun Analysen von zwei fossilen Gelegen, die aus zwei sehr unterschiedlichen Gruppen der Dinosaurier stammen. Demnach ist die weiche Eihülle die ursprüngliche Form und erst später im Laufe der Dino-Evolution entwickelten sich auch hartschalige Eier, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Schlangen tun es, Echsen und auch viele Schildkröten: Sie alle legen Eier mit weicher, häutiger Schale, aus denen die Jungen schon bald nach Eiablage schlüpfen. Die meisten anderen Reptilien und die Vögel vertrauen ihren Nachwuchs dagegen Eiern mit einer festen Kalkschale an. Gleiches dachte man bisher von den Dinosauriern. Denn die meisten fossilen Nester und Gelege enthalten hartschalige Dino-Eier – beispielsweise beim Raubdinosaurier Oviraptor oder einigen pflanzenfressenden Sauropoden.
„Die Annahme war immer, dass das ursprüngliche Dinosaurier-Ei hartschalig war“, sagt Erstautor Mark Norell vom American Museum of Natural History in New York. Allerdings: Von vielen Dinosaurier-Gruppen hat man bisher gar keine Eier gefunden. Daher weiß man auch nicht, wie sie beschaffen waren.
Protoceratops-Eier ohne Kalkschale
Jetzt werfen zwei fossile Gelege ein neues Licht auf die Evolution der Dinosaurier-Eier. Denn sie stammen aus zwei verschiedenen Großgruppen der Urzeitechsen und zwei Zeitaltern. Der erste Fund ist ein Nest des Vogelbeckensauriers Protoceratops aus der späten Kreidezeit, das in der Mongolei entdeckt wurde. Protoceratops war ein rund zwei Meter langer, vierbeinig laufender Pflanzenfresser, der sich mit einem mächtigen Kopfpanzer und Nackenschild vor Angriffen schützte.
„Dieses Nest umfasst ein Gelege von mindestens zwölf Eiern und Embroys, von denen sechs mit fast vollständigem Skelett erhalten sind“, berichten Norell und sein Team. Von einstigen Eihüllen zeugt eine dünne, verfärbte Schicht rund um die Jungtiere, die teilweise über den fossilen Knochen liegt. Chemische Analysen dieser versteinerten Eihüllen ergaben, dass sie fossilisierte Proteine und Phosphate enthalten – aber keine Relikte einer Kalkschale. Nach Ansicht der Forscher legt dies nahe, dass Protoceratops weichhäutige Eier legte.
…und auch Mussaurus hatte keine
Das zweite Gelege ist ein schon Ende der 1970er Jahre in Argentinien entdecktes Nest des pflanzenfressenden Sauropoden Mussaurus patagonicus. Im Nest sind 210 Millionen Jahre alte Eier, Embryos und Jungtiere dieser Dinosaurierart erhalten. Und auch die Eihülle dieser Dinosaurier erwies sich bei näherer Analyse als organisch und frei von Resten einer festen Kalkschale, wie die Forscher berichten.
Beide Funde zusammen sprechen dafür, dass weichschalige Eier bei den Dinosaurier weiter verbreitet waren als lange angenommen. Aber welcher Eityp war der ursprüngliche? Um das herauszufinden, werteten Norell und sein Team die Eimerkmale von 112 Dinosaurierarten und eng verwandten Reptilien aus und rekonstruierten so eine Art Stammbaum der Dino-Eier.
Am Anfang stand die weiche Eischale
Das Ergebnis: Die Hypothese der Kalkschalen-Eier als ursprüngliche Form ist nach Ansicht der Forscher nicht länger haltbar. Stattdessen müssen die ersten Dinosaurier weichschalige Eier gelegt haben. „Wir haben festgestellt, dass das erste Dinosaurier-Ei weichschalig war und dass die festen, verkalkten Eischalen sich unabhängig von einander in den drei Großgruppen der Dinosaurier entwickelt haben“, konstatieren Norell und sein Team.
Das könnte auch erklären, warum die Kalkschalen der Raubdinosaurier und der beiden Pflanzenfressergruppen so unterschiedlich aufgebaut sind: Weil die Natur diese festen Schalen dreimal unabhängig voneinander „erfunden“ hat, entwickelte sich jedes Mal eine leicht andere Feinstruktur. „Die Kalkschalen der Ornithopoden, Sauropoden und Theropoden sind nicht homolog“, so die Paläontologen.
Eines der größten Eier der Welt
Gestützt wird die Annahme der weichschaligen „Ur-Eier“ von einem Fund aus der Antarktis, den eine zweite Forschergruppe um Lucas Legendre von der University of Texas untersucht hat. Bei dem 2011 entdeckten Fossil handelt sich um ein 29 Zentimeter langes und 20 Zentimeter dickes Gebilde, das einem luftleeren Football ähnelt. Weil die Paläontologen es zunächst nicht zuordnen konnten, blieb „Das Ding“ zunächst unbeachtet im chilenischen Museum für Naturgeschichte liegen.
Doch nun haben Legendre und sein Team sich dieses Fossil näher angeschaut und festgestellt, dass es sich ebenfalls um ein Ei handelt – eines der größten im gesamten Tierreich. Aus Analysen der versteinerten Eihüllen schließen sie, dass auch dieses Ei weichschalig war. Es stammt allerdings nicht von einem Dinosaurier, sondern höchstwahrscheinlich von einem Mosasaurier – einem haiähnlichen Meeressaurier der Kreidezeit.
Diese Entdeckung bedeutet, dass neben vielen Dinosauriern und den Flugsauriern auch einige Meeressaurier weichschalige Eier legten. Damit ist dieser Eityp bei den drei Hauptgruppen der urzeitlichen Saurier vertreten – das spricht für einen gemeinsamen Ursprung. (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2412-8; doi: 10.1038/s41586-020-2377-7)
Quelle: American Museum of Natural History, University of Texas at Austin