Anstößige Linderung: Kräftiges Fluchen kann unsere Schmerztoleranz um rund ein Drittel erhöhen – und damit Schmerzen subjektiv lindern. Das aber funktioniert nur mit echten Fluchwörtern, wie ein Experiment nun enthüllt. Dabei hielten die Probanden einen Kälteschmerz länger aus, wenn sie „Fuck“ rufen durften. Neu geschaffene Fluchwörter wie „Fouch“ oder „Twizpipe“ blieben dagegen wirkungslos.
Schon als Kinder lernen wir, dass bestimmte Wörter unanständig sind: „Das sagt man nicht!“, heißt es dann. Trotzdem ist die Nutzung solcher Flüche in nahezu allen Sprachen und Kulturen verbreitet – möglicherweise aus gutem Grund. Denn der sprachliche Tabubruch gilt als unbewusstes, aber probates Mittel, um Stress zu senken und Angst oder Schmerz zu dämpfen. Tatsächlich belegen Experimente, dass das Fluchen den subjektiv empfundenen Schmerz lindern kann und die Schmerztoleranz erhöht.
Fluchen für die Wissenschaft
Aber warum? Einer Theorie zufolge sorgen die mit dem Fluchen verknüpften Emotionen für den schmerzlindernden Effekt. Messungen zeigen, dass das Aussprechen von Fluchwörtern die Herzrate und die Hautleitfähigkeit erhöht – beides sind Anzeichen für eine gesteigerte emotionale Erregung. Denkbar wäre aber auch, dass das Fluchen einfach ablenkt: Wenn das Fluchwort als lustig oder neuartig empfunden wird, kann dies unsere Aufmerksamkeit binden und so vom Schmerz ablenken.
Diese Hypothesen haben nun Richard Stephens und Olly Robertson von der britischen Keele University näher untersucht. In ihrem Experiment verglichen sie den Effekt des Fluchworts „Fuck“ mit dem von neu ausgedachten Fluchwörtern wie „Fouch“ und „Twizpipe“. Ihre 92 männlichen und weiblichen Versuchspersonen mussten eine Hand in ein Eisbad halten, während sie jeweils eines dieser Fluchworte oder aber ein neutrales Wort wiederholten.
Parallel dazu wurde der Puls der Teilnehmer gemessen und die Zeit, die sie im Eisbad aushielten. Außerdem wurden sie gebeten, zu sagen ab wann es wehtut und wie stark der Schmerz empfunden wird. Nach dem Schmerztest sollten alle Probanden zudem die Worte nach ihrer emotionalen Kraft, ihrer Lustigkeit und der ablenkenden Wirkung einstufen.
„Fuck“ lindert den Schmerz
Und tatsächlich: Das herzhafte Fluchen mit dem klassischen „Fuck“ zeigte Wirkung. Es erhöhte die Schmerztoleranz der Teilnehmer um 33 Prozent und ihre Schmerzschwelle um 32 Prozent. Parallel dazu stieg der Herzschlag als Zeichen für emotionale Erregung an. „Das bestätigt die früheren Ergebnisse zum positiven Effekt des Fluchens auf das Schmerzempfinden“, sagen Stephens und Robertson.
Im Gegensatz dazu erwiesen sich die künstlichen Fluchwörter „Fouch“ und „Twizpipe“ als weitgehend wirkungslos: Ihr Effekt auf Schmerzschwelle und Schmerztoleranz unterschied sich nicht signifikant von dem eines neutralen Wortes. „Interessanterweise wurden beide Kunstwörter aber trotzdem als emotionsgeladener und lustiger empfunden als das neutrale Wort“, so die Forscher. Bei der ablenkenden Wirkung unterschieden sie sich dagegen nicht vom Kontrollwort.
Wurzeln in der Kindheit?
Was aber sagt uns das? Wirkungsvoll sind demnach nur die echten, „bösen“ Fluchworte. Verschönerungen und Ersatzflüche wie „Scheibenkleister“ könnten dagegen weniger dabei helfen, Stress oder Schmerzen zu mindern. „Unsere Ergebnisse bestätigen, dass es nicht auf die oberflächlichen Eigenschaften der Fluchwörter ankommt – beispielsweise wie sie klingen“, sagt Stephens. Auch eine durch das Fluchen abgelenkte Aufmerksamkeit scheint keine entscheidende Rolle zu spielen, wie die Ergebnisse nahelegten.
„Stattdessen scheint hinter dem positiven Effekt etwas Tieferes zu stecken – möglicherweise reicht dies bis in unsere Kindheit zurück“, erklärt Stephens. So gehen Psychologen davon aus, dass die klassische Konditionierung auf das Vermeiden solcher Fluchwörter ihre emotionale Wirkung verstärkt. Der Tabubruch wirkt dadurch gewissermaßen kathartisch. Allerdings: Zumindest auf bewusster Ebene war den Probanden dieser emotionale Effekt offenbar nicht bewusst, wie ihre Einstufungen belegen.
Damit scheint klar: Fluchen wirkt heilsam und kann Schmerzen lindern. Wie jedoch dieser Effekt zustande kommt und wo die psychologisch-neurobiologischen Wurzeln dieser Wirkung liegen, bleibt noch immer im Dunkeln. (Frontiers in Psychology, 2020; doi: 10.3389/fpsyg.2020.00723)
Quelle: Keele University