Ein neuer Blick in den Kosmos: Das Röntgenteleskop eROSITA hat seine erste vollständige Himmelsdurchmusterung abgeschlossen – und zeigt damit den Kosmos in ganz neuem Licht. Denn die neue Karte des heißen, energiereichen Universums reicht viermal tiefer ins All hinaus und zeigt doppelt so viele Röntgenquellen wie alle bisherigen Teleskope zusammen – von Sternen über Supernova-Überreste bis hin zu aktiven Galaxienkernen.
Am 13. Juli 2019 ist das Röntgenteleskop eROSITA ins All gestartet und umkreist seither den Lagrange-Punkt 2, eine von der Sonne aus gesehen 1,5 Millionen Kilometer hinter der Erde liegende Position. Das Weltraumteleskop besteht aus sieben einzelnen Teleskopmodulen, die das einfallende Röntgenlicht sammeln und so besonders detailreiche und gleichzeitig breitbandige Aufnahmen erstellen können – so jedenfalls hofften die Astronomen.
Eine Million Röntgenquellen auf einen Blick
Und ihre Hoffnungen haben sich nun in bester Weise bestätigt: Am 11. Juni 2020 hat eROSITA seine erste vollständige Himmelsdurchmusterung im Röntgenbereich abgeschlossen – mit beeindruckenden Ergebnissen. Denn die neue Karte des heißen, energiereichen Universums enthält mehr als eine Million Objekte – und damit doppelt so viele Röntgenquellen, wie alle bisherigen Röntgenteleskope entdeckt haben.
„Wir haben alle mit Spannung auf die erste Himmelskarte von eROSITA gewartet“, sagt Mara Salvato vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE). „Große Himmelsbereiche wurden bereits bei vielen anderen Wellenlängen abgedeckt, und jetzt haben wir die entsprechenden Röntgendaten. Wir brauchen diese anderen Beobachtungen, um die Röntgenquellen zu identifizieren und ihre Natur zu verstehen.“
Von der Sternencorona bis zu fernen Galaxienhaufen
Die eROSITA-Röntgenkarte zeigt Sterne mit einer energiereichen Corona, Doppelsterne mit Neutronensternen, Schwarzen Löchern oder Weißen Zwergen sowie spektakuläre Supernova-Überreste in unserer eigenen und anderen nahen Galaxien wie den beiden Magellanschen Wolken. Auch die Struktur des heißen Gases in der Milchstraße lässt sich nun bis ins kleinste Detail nachvollziehen.
Außerhalb unserer Galaxie sind die Röntgenquellen vor allem aktive Galaxienkerne, in denen ein supermassereiches Schwarzes Loch Materie verschlingt. Auch Galaxienhaufen, deren ausgedehnte Halos aus heißen, von Dunkler Materie umgebenen Gasen im Röntgenlicht leuchten, sind in der neuen Karte erkennbar. Aber auch kurzlebige Röntgenausbrüche durch verschmelzende Sterne oder aktive Schwarze Löcher registriert das eROSITA-Teleskop.
„Dieses Bild des kompletten Himmels ändert völlig die Art und Weise, wie wir das energiereiche Universum betrachten“, sagt Peter Predehl vom MPE. „Wir sehen einen enormen Reichtum an Details – die Schönheit der Bilder ist wirklich überwältigend.“
Was das Bild zeigt
Die hier abgebildete Projektion der Himmelskarte zeigt den gesamten Röntgenhimmel auf eine Ellipse projiziert. Das Zentrum der Milchstraße liegt in der Mitte und die Milchstraßenebene in der Waagerechten. Die Farben kennzeichnen die Energien der verschiedenen Röntgenphotonen – rot sind energieärmere Röntgenstrahlen, grün und blau energiereichere. Sehr starke Röntgenquellen erscheinen in gelb und weiß.
Das rote diffuse Glühen außerhalb der galaktischen Ebene stammt von heißen, interstellaren Gasen in der Nachbarschaft des Sonnensystems. Durch dieses diffuse Medium dringen Hunderttausende von Röntgenquellen, die im Bild meist weiß erscheinen und gleichmäßig über den Himmel verteilt sind. Die blaue Farbe der Milchstraßenebene kommt zustande, weil dort energieärmere Röntgenemissionen von Staub und Gas absorbiert wird. Dadurch dringt nur energiereichere Röntgenstrahlung durch.
Im Zentrum der Milchstraße leuchtet das heiße Gas in grün und gelb. Es trägt Informationen über die Geschichte der energiereichsten Prozesse im Leben der Milchstraße in sich, wie zum Beispiel Supernova-Explosionen oder vergangene Ausbrüche des zentralen Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie.
Erst der Anfang
„Mit einer Million Quellen in nur sechs Monaten hat eROSITA die Röntgenastronomie bereits revolutioniert, aber dies ist nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird“, sagt Kirpal Nandra vom MPE. „In den nächsten Jahren werden wir in der Lage sein, noch tiefer zu gehen und zu erforschen, wo sich die ersten riesigen kosmischen Strukturen und supermassereichen Schwarzen Löcher gebildet haben.“
Quelle: Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik