Fast schneller als sein Schatten: Der Knallkrebs Alpheus heterochaelis kann schneller sehen als jedes andere Wassertier. Die zeitliche Auflösung seiner Augen liegt bei mindestens 160 Hertz und übertrifft damit selbst den Sehsinn der Vögel. Nur einige Insekten haben eine noch schnellere Sicht als diese Garnelen. Wahrscheinlich hilft dem Knallkrebs diese Rekordsicht dabei, im turbulentem Wasser seines Lebensraums Fressfeinde und Beute rechtzeitig zu erkennen.
Die Knallkrebse oder Pistolenkrebse sind eigentlich eher für ihre Lautstärke bekannt als für ihren Sehsinn. Denn diese tropischen Flachwassergarnelen können mit einer speziell umgeformten Schere eines der lautesten Geräusche im Tierreich erzeugen: Ein solcher „Pistolenknall“ erreicht 200 bis 250 Dezibel und produziert sogar Funken.
Flackertest für Krebse
Doch wie gut diese Knallkrebse sehen, war bislang nur in Teilen bekannt. Deshalb haben Alexandra Kingston von der University of South Carolina und ihre Kollegen die lauten Krebse nun einem speziellen Sehtest unterzogen. Sie setzen neun Krebse der Art Alpheus heterochaelis einem hellen Lichtflackern unterschiedlicher Geschwindigkeit aus – die Frequenzspanne reichte von 30 bis 200 Hertz.
Mithilfe feiner Elektroden am Auge der Krebse ermittelten die Forscher dann, ob der Sehsinn der Krebse das Flackern noch als zeitlich getrennte Einzelsignale registrierte oder aber als kontinuierliches Licht. Dieses Verfahren ermöglicht es, die maximale zeitliche Auflösung der Augen und des Sehsinns zu messen. Beim Menschen liegt die sogenannte Flimmerverschmelzungsfrequenz je nach Lichtintensität zwischen 20 und 90 Hertz.
Zeitliche Auflösung bis zu 200 Hertz
Die Tests ergaben Überraschendes. Denn bis zu einer Frequenz von 160 Hertz konnten alle Knallkrebse das Flackern problemlos erkennen. Drei der neun Tiere reagierten sogar bis zum Höchstwert von 200 Hertz auf jedes Einzelflackern. „Das ist die höchste zeitliche Auflösung, die je bei einem Krebstier gemessen wurde und auch der höchste Wert aller Wassertiere“, konstatieren Kingston und ihre Kollegen.
Mit seiner Highspeed-Sicht übertrifft der Knallkrebs auch alle Wirbeltiere bei weitem. Sogar die schnelläugigsten Vögel hängen die Krebsaugen ab. So haben die Augen des Wanderfalken „nur“ eine zeitliche Auflösung von 129 Hertz. Sperlingsvögel wie die Blaumeise schaffen dagegen rund 146 Hertz. Eine noch schnellere Sicht als die Pistolenkrebse haben nur einige fliegende Insekten mit bis zu 300 Hertz.
Vorteil in turbulentem Wasser
Aber wozu braucht der Knallkrebs so schnelle Augen? Kingston und ihre Kollegen vermuten, dass die High-Speed-Sicht dem Krebs in seinem unübersichtlichen Lebensraum zugutekommt. Denn er kommt vorwiegend in Muschelbänken der turbulenten Gezeitenzone vor. In dem unruhigen, von unzähligen Sichtbarrieren erfüllten Umfeld sind Hindernisse, aber auch andere Tiere oft erst sehr spät zu erkennen.
Doch dank seiner schnellen Augen kann der Knallkrebs trotzdem rechtzeitig erkennen, ob er einen Artgenossen, einen Fressfeind oder vielleicht ein Beutetier vor den Scheren hat. Dazu passt auch, dass die Augen von Alpheus heterochaelis auch über einen ungewöhnlich großen Helligkeitsbereich funktionieren: Er kann im schummrigen Dämmerlicht von nur einem Lux gut sehen, wird aber auch von direktem Sonnenlicht mit 100.000 Lux nicht geblendet, wie Kingston und ihr Team in Tests herausfanden. (Royal Society Biology Letters, 2020; doi: 10.1098/rsbl.2020.0298)
Quelle: Royal Society