Hoffnung für Parkinson-Patienten: Forschern ist es bei Mäusen gelungen, zerstörte Neuronen zu ersetzen – indem sie einen anderen Hirnzelltyp umwandelten. Die Blockade nur eines Proteins löste diese Umwandlung von Astrozyten, eine Art Nähr- und Begleitzellen des Gehirns, in dopaminerzeugende Neuronen aus. Als Folge verschwanden bei den Tieren alle parkinsontypischen Symptome, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Bei der Parkinson-Krankheit gehen fortschreitend Hirnzellen in der Substantia nigra zugrunde – einem Hirnareal, das für Koordination und Bewegung zuständig ist und in dem die Neuronen den Hirnbotenstoff Dopamin produzieren. Es kommt zu einem Dopaminmangel, der das typische Zittern, aber auch Bewegungsstörungen, kognitive Ausfälle und Stimmungsveränderungen verursacht.
Bislang lassen sich zwar die Symptome durch dopaminhaltige Wirkstoffe und die tiefe Hirnstimulation lindern, ein echtes Heilmittel gibt es aber nicht. Sind die Hirnzellen einmal zerstört, wachsen sie nicht wieder nach – und auch Stammzelltherapien stehen hier erst am Anfang.
Aus Astrozyten werden Neuronen
Doch nun macht ein ganz neuer Ansatz Hoffnung: Forscher um Xiang-Dong Fu von der University of California in San Diego nutzen als „Rohmaterial“ für neue Neuronen Zellen, die ohnehin schon reichlich im Gehirn vorhanden sind. Dabei handelt es sich um Astrozyten, Hilfszellen, die für den Nährstofftransport und die Entsorgung von Abfällen im Denkorgan sorgen. „Diese nicht-neuronalen Zellen sind reichlich vorhanden, sie vermehren sich bei Verletzungen und sie sind hochgradig plastisch“, erklären die Forscher.
Doch noch etwas macht die Astrozyten interessant: In ihnen ist wie bei anderen Bindegewebszellen ein Protein aktiv, das ihre Genaktivität entscheidend beeinflusst. Solange dieses PTB-Protein aktiv ist, bleiben die Astrozyten was sie sind. Doch schaltet man es aus, wandeln sich die Astrozyten in Neuronen um, wie die Wissenschaftler in Zellkultur-Experimenten herausgefunden haben. Die Blockade des PTB-Proteins legt typische Astrozyten-Gene still und aktiviert stattdessen neuronale Gene.
„50 bis 80 Prozent der behandelten Zellen zeigten danach eine neuronale Morphologie“, berichtet Fu. „Die Tatsache, dass wir so viele Neuronen auf so einfache Weise erzeugen konnten, hat uns wirklich überrascht.“
Mäuse als Testpatienten
Die entscheidende Frage aber war, ob diese Umwandlung auch im lebenden Gehirn funktionieren würde. Um das zu testen, zerstörten die Wissenschaftler bei Mäusen eine Hälfte der dopaminproduzierenden Neuronen im Gehirn durch eine Chemikalie. Die Tiere litten dadurch an Dopaminmangel und zeigten ähnliche Symptome wie menschliche Parkinson-Patienten.
Dann folgte die Therapie: Um das PTB-Protein in den Astrozyten der Tiere zu blockieren, injizierten die Forscher ihnen ein Trägervirus, das kleine, maßgeschneiderte DNA-Schnipsel in die Zellen einschleuste. Diese Erbgutfragmente lagern sich an die RNA an, die die Bauanleitung für das PTB-Protein vom Zellkern zu den „Proteinfabriken“, den Ribosomen im Zellplasma bringt. Als Folge wird die Produktion dieser Proteine gestoppt.
Schäden geheilt, Symptome behoben
Und tatsächlich: Einige Wochen nach der Injektion zeigte die Therapie Wirkung. Die Astrozyten wandelten sich in Neuronen um, die Zellfortsätze bildeten und so die zerstörten Schaltkreise im Mittelhirn der Mäuse wieder reparierten. Interessanterweise benötigen die Astrozyten dabei keine speziellen Instruktionen dazu, welchen Typ von Neuronen sie bilden sollen. Stattdessen sorgt die jeweilige Hirnumgebung dafür, dass der richtige Zelltyp entsteht, wie ergänzende Versuche zeigten.
Die neuen Ersatzzellen produzierten bald darauf den Hirnbotenstoff Dopamin. „Dadurch erreichte das Dopamin-Niveau in dem behandelten Hirnteil rund 65 Prozent des Niveaus, den er vor der Zerstörung der ursprünglichen Neuronen hatte“, berichten Fu und seine Kollegen. Als Folge besserten sich die Parkinson-typischen Symptome der Mäuse zunehmend. Drei Monate nach der Behandlung waren sie komplett symptomfrei. „Ich war erstaunt von dem, was ich da sah“, sagt Fu Kollege William Mobley.
Funktioniert dies auch beim Menschen?
Nach Ansicht der Wissenschaftler eröffnet diese Methode ganz neue Chancen, um zerstörte Hirnzellen zu ersetzen – und so neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer zu behandeln. „Diese neue Strategie macht Hoffnung, dass man eines Tages damit sogar Patienten mit fortgeschrittenem Leiden helfen kann“, sagt Mobley.
Allerdings: Bis es soweit ist, wird noch einige Forschung nötig sein, wie auch Fu und sein Team einräumen. So muss unter anderem geklärt werden, ob die Umwandlung auch in höherem Alter noch funktioniert, denn die Versuchsmäuse waren noch jung. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die Umwandlung der Astrozyten nicht andere Hirnfunktionen stört. All dies wollen die Wissenschaftler nun in weiteren Studien untersuchen. (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2388-4)
Quelle: University of California – San Diego