Rätsel um den Überriesen: Die mysteriöse Verdunklung des Roten Riesensterns Beteigeuze wird offenbar doch nicht von ausgeschleuderten Staubwolken verursacht. Stattdessen sprechen Beobachtungen im langwelligen Submillimeterbereich nun dafür, dass die Sternenoberfläche selbst diese Strahlungsabnahme erzeugt. Eine mögliche Erklärung wären riesige Sternenflecken, die 50 bis 70 Prozent der Oberfläche von Beteigeuze bedecken.
Der Rote Überriese Beteigeuze steht kurz vor dem Ende seines stellaren Lebenszyklus. Astronomen gehen davon aus, dass er irgendwann in den nächsten 100.000 Jahren als Supernova explodieren wird – möglicherweise sogar in einer doppelten Explosion. Umso spannender ist eine drastische Veränderung des Sterns in den letzten Monaten: Beteigeuze hat zwei Drittel seiner Leuchtkraft verloren – dies ist sogar mit bloßem Auge sichtbar.
Aber warum? Einige Merkmale des gedimmten Sterns wie die ungleichmäßige Verteilung seiner Verdunklung schienen darauf hinzudeuten, dass große Staubwolken die Oberfläche von Beteigeuze verhüllen könnten. Ein solches Ausschleudern von Gas und Staub ist typisch für Überriesen kurz vor ihrer Supernova. Aber auch Dichteschwankungen im Stern oder eine unregelmäßige Abkühlung seiner Oberfläche wären möglich.
Submillimeter-Aufnahmen machen Staubwolken unwahrscheinlicher
Jetzt liefern Beobachtungen im langwelligen Submillimeter-Bereich neue Informationen. Astronomen um Thavisha Dharmawardena vom Max-Planck-Institut für Astronomie haben dafür Daten des Atacama Pathfinder Experiment (APEX) und des James Clerk Maxwell-Teleskops (JCMT) ausgewertet. Diese Teleskope messen Strahlung mit rund tausendmal längerer Wellenlänge als das sichtbare Licht.
Das überraschende Ergebnis: „Beteigeuze wurde auch im Bereich der Submillimeterwellen um 20 Prozent dunkler“, berichten die Forscher. Wären jedoch um den Überriesen große Staubwolken vorhanden, hätten sie gerade in diesem Wellenbereich strahlen müssen – was nicht der Fall war. „Unsere Modellierungen zeigen, dass diese Abdimmung nicht durch Veränderungen in der Staubhülle verursacht werden können“, so Dharmawardena und ihr Team.
Fleckige Abkühlung
Was aber ist dann der Grund für den drastischen Helligkeitsverlust von Beteigeuze? Aus ihren Beobachtungen schließen die Astronomen, dass die Abdunklung nicht durch äußere Einflüsse zustande kommt, sondern in der Photosphäre des Sterns ihren Ursprung haben muss. Eine Möglichkeit, die Abnahme im sichtbaren Licht und in der Submillimeterstrahlung zu erklären, wäre eine Abkühlung der gesamten Sternenoberfläche um rund 200 Grad.
Das allerdings passt nicht zu den Beobachtungen im sichtbaren Licht, die eine eher fleckige Verteilung von helleren und dunkleren Stellen auf der Oberfläche von Beteigeuze zeigen. „Wahrscheinlicher ist daher eine ungleiche Temperaturverteilung“, erklärt Koautor Peter Scicluna von der Europäischen Südsternwarte (ESO).
Gigantische Sternenflecken?
Eine mögliche Ursache dafür wären Sternenflecken – kühlere und magnetisch auffällige Bereiche auf der Sternenoberfläche. Als Sonnenflecken kommen sie auch auf der Sonne häufig vor. Auf Beteigeuze müssten solche Flecken allerdings 50 bis 70 Prozent der sichtbaren Oberfläche bedecken und um rund 400 Grad kühler sein als der Rest der Photosphäre, wie die Astronomen ermittelten.
Merkwürdig sind jedoch die schiere Menge und Größe dieser Sternenflecken. Zwar kommen sie auch bei Riesensternen durchaus häufig vor, allerdings nicht in diesem Ausmaß. Möglicherweise, so spekulieren die Forscher, gibt es auch bei Beteigeuze eine Art Aktivitätszyklus, an dessen Maximum die Sternenflecken so drastisch zunehmen.
„Beobachtungen in den kommenden Jahren werden erweisen, ob der starke Abfall der Helligkeit Beteigeuzes im Zusammenhang mit einem Fleckenzyklus steht“, sagt Dharmawardena. „Beteigeuze bleibt jedenfalls auch für zukünftige Studien ein spannendes Objekt.“ (The Astrophysical Journal Letters, 2020; doi: 10.3847/2041-8213/ab9ca6)
Quelle: Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg