Paläontologie

Schweizer Dino ist engster Verwandter der Sauropoden

225 Millionen Jahre alte Knochen erhellen frühe Evolution der riesenhaften Langhalssaurier

Schleitheimia
Der rund zehn Meter große pflanzenfressende Dinosaurier Schleitheimia schutzi lebte vor 225 Millionen Jahren auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. Er war ein enger Verwandter von späteren Sauropoden wie Brachiosaurus. © Beat Scheffold

Wichtiges Bindeglied: Ein in der Schweiz gefundenes Fossil erweist sich als engster Verwandter der langhalsigen Sauropoden – der größten Giganten der Urzeit. Die 225 Millionen Jahre alten Knochen stammen von einem pflanzenfressenden, rund zehn Meter langen Dinosaurier, der einer Vorform der Sauropoden angehörte. Sein Fund wirft nun auch ein neues Licht darauf, wann und wie diese langhalsigen Pflanzenfresser zu ihrer späteren Größe aufstiegen.

Unter allen Riesenechsen der Urzeit waren die pflanzenfressenden Sauropoden die größten. Langhalsige Dinosaurier wie Brachiosaurus, Diplodocus, Brontosaurus oder der gigantische Titanosaurier Dreadnoughtus wurden bis zu 40 Meter lang und mehr als 50 Tonnen schwer. Doch wann und wo sich die ersten Vertreter dieser Sauropoden entwickelten, ist bislang unklar. Die meisten Fossilien früher Sauropoden stammen vom Anfang des Jurazeitalters. Paläontologen vermuten jedoch, dass die Wurzeln dieser Dinosauriergruppe weiter zurückgehen.

Wirbelknochen
Fund eines Sauropodomorpha-Schwanzwirbels. © Heinz Furrer

Wirbelknochen aus dem schweizerischen Schaffhausen

Doch wann und wo lebten die Vorfahren der riesenhaften Sauropoden? Bekannt ist, dass es schon in der oberen Trias vor rund 220 Millionen Jahren eng verwandte Pflanzenfresser-Dinosaurier gab – auch im Gebiet des heutigen Mitteleuropas. Zu diesen Sauropodomorpha gehört unter anderem der Plateosaurus, dessen in Deutschland gefundene Relikte ihm den Beinamen „fränkischer Lindwurm“ verliehen. Er und andere Sauropodomorpha gelten jedoch als zu ursprünglich, um schon echte Übergangsformen zu den Sauropoden zu sein.

Jetzt jedoch haben Paläontologen um Oliver Rauhut von der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie ein Dinosaurier-Fossil aufgespürt, das ein solches Bindeglied darstellen könnte. Bei den Knochen handelt sich um Wirbel sowie Teile der Hüfte und der Beine eines Langhalssauriers, die teilweise schon vor Jahrzehnten in der Nähe der schweizerischen Ortschaft Schleitheim bei Schaffhausen gefunden wurden.

Engster Verwandter der Sauropoden

Als Rauhut und sein Team diese Fossilien nun erneut näher untersuchten, zeigte sich Überraschendes. Denn anders als gedacht stammten diese Relikte nicht von einem weiteren Plateosaurier, sondern von einer zuvor unbekannten Art der Sauropodomorphen. Dieser Schleitheimia schutzi getaufte Pflanzenfresser ist zwar schon 225 Millionen Jahre alt, steht aber den Sauropoden bereits deutlich näher als alle anderen aus dieser Zeit bekannten Saurier, wie die Forscher berichten.

„Schleitheimia repräsentiert den am weitesten entwickelten Sauropodomorpha, den wir in Europa aus der späten Trias kennen“, sagen Rauhut und seine Kollegen. Dieser Pflanzenfresser war mit neun bis zehn Metern Körperlänge schon fast so groß wie seine späteren Verwandten und sehr robust gebaut. Wie die Sauropoden bewegte sich auch Schleitheimia auf allen Vieren fort – anders als der primitivere, auf den Hinterbeinen laufende Plateosaurus.

Der neuentdeckte Dinosaurier könnte den Fossilmerkmalen zufolge der engste bekannte Verwandte der Sauropoden gewesen sein. Die Paläontologen stufen ihn in ihrem Stammbaummodell deswegen als Schwestergruppe dieser Langhalssaurier ein.

Vorläuferformen dominierten bis in den frühen Jura

Gleichzeitig werfen Schleitheimia und seine Zeitgenossen auch ein neues Licht auf die frühe Entwicklung der Sauropoden. Denn auf Basis der bekannten Funde gehen Rauhut und sein Team davon aus, dass es am Ende der Trias schon mehrere Vertreter der frühen Sauropoden gegeben haben muss. Zunächst jedoch lebten diese „Pioniere“ der neuen Dinogruppe relativ unauffällig neben den noch vorherrschenden Sauropodomorpha.

Auch bei dem großen Massenaussterben am Ende der Trias, als viele urtümlichere Reptilien ausstarben, blieben die Sauropomorpha zunächst noch dominant: „Mindestens 13 Linien der Sauropomorpha überlebten dieses Massenaussterben“, sagten Rauhut und seine Kollegen. „Die Sauropoden blieben noch während des frühen Jura eine scheinbar kleine Seitenlinie der Sauropodomorpha.“

„Schichtwechsel“ erst vor gut 180 Millionen Jahren

Das änderte sich erst vor rund 182 Millionen Jahren, als ein weiteres, wenn auch kleineres Massenaussterben, die Bedingungen erneut veränderte. Erst dann starben die urtümlicheren Sauropoden-Vorläufer aus und die Sauropoden erlebten einen explosiven Wachstums- und Artbildungsschub. „Welche ökologischen Veränderungen zu diesem offenbar drastischen Ereignis führten, bleibt allerdings unbekannt und muss weiter erforscht werden“, so Rauhut und seine Kollegen.

Ihrer Ansicht nach war es jedoch erst dieses Ereignis, das den langhalsigen Sauropoden und auch anderen erfolgreichen Dinosauriergruppen ihren rasanten Aufstieg ermöglichte. Ab dann begann ihre Erfolgsgeschichte, die sie zu den größten und in vielen Ökosystemen wichtigsten Pflanzenfressern des Erdmittelalters machen sollte. (Swiss Journal of Geoscience, 2020; doi: 10.1186/s00015-020-00360-8)

Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns

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