Verborgene Ressourcen: Unter der Oberfläche des Mondes könnten sich mehr metallreiche Minerale verbergen als bislang angenommen. Indizien dafür liefern Messdaten, nach denen der Regolith in größeren und tieferen Mondkratern metallhaltiger ist als in kleineren. Das spricht dafür, dass der Metallgehalt des Mondgesteins mit zunehmender Tiefe steigt. Sollte sich dies bestätigen, wirft dies auch ein neues Licht auf die Entstehung des Mondes.
Gängiger Theorie nach entstand der Mond durch eine katastrophale Kollision der jungen Erde mit dem marsgroßen Protoplanet Theia. Aus den verdampften Trümmern des ausgeschleuderten Materials bildete sich dann der Mond. Möglicherweise ist er der Erde deshalb geochemisch so ähnlich – er könnte vorwiegend aus irdischem Mantel- und Krustenmaterial bestehen. Wo allerdings dann die Überreste von Theia geblieben sind, ist bislang strittig.
Rätsel um Metallgehalt des Regoliths
Und noch ein Aspekt passt nicht ins Bild: Im lunaren Hochland enthält der Regolith weniger metallhaltige Minerale als vergleichbares irdisches Gestein – wie es bei einem Ursprung aus primär silikatreichem Mantelgestein der Erde zu erwarten wäre. Doch in den großen Maria des Mondes ist es genau anders herum: Dort enthalten einige Gesteine offenbar sogar mehr Metalle als ihre irdischen Gegenparts.
Wo aber kommt dieses Metall her? Eine mögliche Antwort könnten nun Forscher um Essam Heggy von der University of Southern California in Los Angeles gefunden haben. Denn ihre Studie liefert neue Hinweise auf die Beschaffenheit des lunaren Tiefgesteins. Dafür haben die Forscher Daten der NASA-Mondsonde Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) ausgewertet. Deren „Miniature Radio Frequency“-Instrument kann die dielektrische Leitfähigkeit des lunaren Regoliths messen und erlaubt damit Rückschlüsse darauf, wie viel Metall dieses Material enthält.
Überraschender Fund in lunaren Kratern
Die Analysen ergaben einen auffallenden Zusammenhang: Bei Mondkratern bis zu fünf Kilometer Durchmesser stieg die dielektrische Konstante des Regoliths mit der Kratergröße stetig an. Je größer der Krater, desto metallhaltiger wurde der Mondstaub am Kratergrund. Ab einem Durchmesser von fünf Kilometern jedoch scheint eine Art Plateau erreicht: Der Metallgehalt erhöhte sich auch bei zunehmender Kratergröße nicht mehr weiter.
„Dieser Verlauf war überraschend – wir hatten vorher keinen Grund anzunehmen, dass es diesen Zusammenhang gibt“, sagt Heggy. Doch was steckt dahinter? Die Forscher vermuten, dass dies mit der Wucht der Einschläge zu tun hat: Größere Brocken hinterlassen größere Krater, dringen aber auch tiefer in die Mondoberfläche ein. Ab einer bestimmten Größe wird dabei sogar Material aus dem lunaren Mantel ausgeschleudert, wie kürzlich Messungen eines chinesischen Mondrovers bestätigten.
Metallreicher in der Tiefe?
Das aber bedeutet: Am Grund der größeren Mondkrater findet sich Gestein aus den tieferen Schichten des Mondes – und dieses enthält offenbar mehr Eisen, Titan und andere Metalle als das meiste Oberflächengestein. „Die plausibelste Erklärung für die beobachtete Variabilität ist ein Anstieg des Metallgehalts mit der Tiefe, das heißt innerhalb der oberen Kilometer der Mondkruste“, sagen Heggy und seine Kollegen.
Die scheinbare Metallarmut des lunaren Regolith täuscht demnach: Unter seiner Oberfläche könnte der Erdtrabant deutlich metallreicher sein als bislang angenommen. An die Oberfläche gelangt dieses Material aber nur dort, wo entweder große Einschläge bis in diese Tiefen vorgedrungen ist oder aber wenn Lava aus dem Mondinneren metallhaltige Schmelzen ans Tageslicht brachte, wie in den Mondmaren.
Neue Sicht auf Mondentstehung
Sollte sich dies bestätigen, wirft dies auch ein neues Licht auf die Entstehung des Mondes. Denn dann bekam unser Trabant bei der katastrophalen Kollision vielleicht doch mehr als nur Mantel- und Krustentrümmer von der Erde mit. „Unsere Ergebnisse werfen die Frage auf, was dies für die gängigen Hypothesen zur Mondbildung bedeutet“, sagt Heggy. Tatsächlich könnten diese Funde eine Hypothese stützen, nach der die Erde bei der Kollision mit Theia sogar komplett verdampfte. Aus den Trümmern bildet sich dann erst die Erde neu, dann der Mond.
„Wenn wir herausfinden, wie viel Metall sich tatsächlich unter der Oberfläche des Mondes verbirgt, dann könnte dies helfen, die vielen Widersprüche zu klären und herauszufinden, wie sich der Mond gebildet und entwickelt hat“, so Heggy. Er und sein Team haben nun begonnen, noch weitere Krater auf dem Mond auf ihre Leitfähigkeit und ihren Metallgehalt zu untersuchen.
In jedem Fall unterstreichen diese Ergebnisse aufs Neue, dass der Mond noch lange nicht vollständig erforscht und verstanden ist. „Dieses aufregende Ergebnis zeigt, dass wir auch heute noch immer wieder neue Entdeckungen über die Vergangenheit unseres nächsten Nachbarn machen“, sagt Koautor Noah Petro vom Goddard Space Flight Center der NASA. (Earth and Planetary Science Letters, 2020; doi: 10.1016/j.epsl.2020.116274)
Quelle: NASA/ Goddard Space Flight Center, University of Southern California