Umwelt

Neonicotinoid-Pestizide schaden auch Ameisen

Schleichende Langzeitwirkung macht Ameisenkolonien kleiner

Lasius niger
Die schwarze Gartenameise (Lasius niger) – hier eine junge Kolonie - wird durch Neonicotinoide stark beeinträchtigt. © Daniel Schläppi

Schleichender Effekt: Neonicotinoide schaden nicht nur Biene und Co, sondern auch den Ameisen, wie nun eine Studie enthüllt. Schon geringe Konzentrationen des Neonicotinoids Thiamethoxam ließen die Arbeiterschar von Kolonien der schwarzen Gartenameise deutlich schrumpfen – allerdings erst nach einem Jahr. Das unterstreicht, dass Pestizide auch Langzeitwirkungen haben können, die sich mit Verzögerung zeigen, so die Forscher.

Die als Pflanzenschutzmittel eingesetzten Neonicotinoide geraten immer stärker in die Diskussion. Denn inzwischen wurde für mehrere Präparate nachgewiesen, dass sie Honigbienen, Hummeln, Wespen und wahrscheinlich sogar Singvögeln und Wasserorganismen schaden. Drei der Mittel – Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam – sind deswegen seit 2018 in der EU für den Freilandeinsatz verboten, andere jedoch dürfen weiter eingesetzt werden.

Ameise
Junge Ameisenkönigin bei der Eipflege. © Daniel Schläppi

Verzögerte Wirkung auf Ameisen-Kolonien

Jetzt haben Forscher um Daniel Schläppi von der Universität Bern eine weitere negative Wirkung des Neonicotinoids Thiamethoxam aufgedeckt. Für ihre Studie hatten sie 20 Königinnen der schwarzen Gartenameise Lasius niger und ihre Kolonien zwei feldtypischen Konzentrationen des Pestizids ausgesetzt. Zehn weitere Kolonien blieben unbehandelt und dienten als Kontrolle. Über zwei Jahre hinweg beobachteten die Forscher dann Kolonieentwicklung und Gedeihen der Tiere.

Das Ergebnis: Im ersten Jahr waren noch keine signifikanten Unterschiede bei den Ameisen erkennbar. Das jedoch änderte sich im zweiten Jahr: „Vor der zweiten Überwinterung zeigte sich, dass die dem Neonicotinoid ausgesetzten Kolonien deutlich kleiner waren“, berichten Schläppi und seine Kollegen. Die Zahl der Arbeiterinnen war je nach Pestizid-Konzentration um 38 beziehungsweise 56 Prozent geringer als bei den Kontrollen.

„Alarmierende Effekte“

Nach Ansicht der Forscher sind diese Ergebnisse aus mehreren Gründen besorgniserregend. Zum einen kann eine Reduktion der Koloniegröße schwerwiegende Folgen für Ameisen haben: „Viele Faktoren der Kolonieorganisation und der Produktivität hängen von der Zahl der Arbeiterinnen ab“, erklären die Wissenschaftler. „Eine größere Arbeiterschar ist ein Konkurrenzvorteil, weil Konflikte zwischen Kolonien gewöhnlich von dem Volk mit der höheren Arbeiterzahl gewonnen werden. Noch wichtiger aber: Größere Kolonien produzieren mehr fortpflanzungsfähige Tiere und beginnen früher damit.“

„Langzeiteffekte von Neonicotinoid-Insektiziden auf Ameisen sind alarmierend“, sagt Schläppis Kollege Peter Neumann. Zum anderen jedoch unterstreichen die Resultate, dass Neonicotinoide schleichende Langzeitwirkungen entfalten können. „Unsere Studie zeigt beispielhaft, wie lange es dauern kann, bis die Auswirkungen solch geringer Rückstände an Agrar-Chemikalien, mit potenziell weitreichenden Konsequenzen, sichtbar werden“, so Neumann.

Mitschuld am Insektenschwund

Die Forscher sehen in diesen und anderen Pestiziden eine entscheidende Ursache für den weltweiten Rückgang der Insekten: „Aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften kontaminieren Neonicotinoid-Insektizide Böden und Grundwasser und können bereits in Gebieten nachgewiesen werden, in denen sie gar nicht eingesetzt werden“, erklärt Koautor Gaétan Glauser von der Universität Neuenburg. Die aktuelle Studie belege, dass schon geringe Konzentrationen dieser Mittel negative Effekte auf Insekten und ihren langfristigen Überlebenserfolg haben können.

„In den letzten Jahren ist ein weltweiter Rückgang der Menge und Vielfalt von Insekten zu beobachten. Davon sind auch Ameisen betroffen, die eine unersetzliche Rolle in unseren Ökosystemen spielen und dazu beitragen, unsere natürliche Biodiversität aufrechtzuerhalten“, sagt Schläppi. (Communications Biology, 2020; doi: 10.1038/s42003-020-1066-2)

Quelle: Universität Bern

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