Atomkollektiv statt polierter Fläche: Forscher haben den leichtesten Spiegel der Welt konstruiert. Er besteht aus einer Lage von gut 200 Rubidiumatomen in einem Gitter aus Laserstrahlen. Die Laserstrahlen halten die Atome auf deutlich höherem Abstand als bei einer polierten Metallfläche. Dennoch reichen die Wechselwirkungen der Atome aus, um Licht effektiv zu reflektieren, wie die Wissenschaftler im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Ob für das Hubble-Teleskop, Quantenlabore oder für Gravitationswellen-Detektoren wie LIGO: Für viele Anwendungen sind optimal reflektierende und glatte Spiegel nötig. Typischerweise bestehen sie aus sorgfältig poliertem Metall oder beschichteten Gläsern. Ihre Oberfläche ist bis auf Atomebene hinunter glatt genug, um das einfallende Licht nahezu ungestreut wieder zurückzuwerfen.
Gitter aus „eingesperrten“ Atomen
Einen Spiegel der etwas anderen Art haben nun Jun Rui vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching und seine Kollegen entwickelt. Denn er besteht nicht aus einer festen Oberfläche, sondern aus einer geordneten Wolke von Atomen. Dafür sperren sie gut 200 Rubidiumatome in einem zweidimensionalen Gitter aus Laserstrahlen ein. Das Lasergitter ordnet die Atome so an, dass sie mit deutlich größerem Abstand zueinander stehen als beispielsweise in einer Metalloberfläche.
Das Resultat ist ein einlagiges Gitter aus Atomen, das rund sieben Mikrometer breit und nur wenige Dutzend Nanometer dick ist. Die Dicke entspricht dem Spielraum, der den Atomen für ihre Eigenbewegung bleibt. Wegen ihrer relativ großen Abstände hat dieser Quantenspiegel eine extrem geringe Dichte – er ist daher der leichteste Spiegel der Welt.
Atomare Wechselwirkungen ermöglichen die Reflexion
Fällt nun Licht auf das Gitter, regt dies die Atome an und es kommt zu einer Wechselwirkung. „Photonen, die auf unseren Spiegel treffen, erzeugen Korrelationen zwischen den Atomen“, erklärt Rui. Dieser Effekt tritt dann auf, wenn die Atomabstände unterhalb der Lichtwellenlänge liegen. Durch die atomaren Wechselwirkungen wirkt das Ensemble dann auf das einfallende Licht als Kollektiv und nicht als Ansammlung einzelner Teilchen.
Das einfallende Licht sieht daher bildlich gesprochen nicht einzelne Atome, sondern eine einzige spiegelnde Oberfläche. Dadurch reflektiert dieser Quantenspiegel das einfallende Licht – zu immerhin fast 60 Prozent. Zwar ist der Spiegel selbst viel zu klein, um mit bloßem Auge sichtbar zu sein. Doch seine Reflexion ist effektiv genug, um das zurückgeworfene Licht sichtbar zu machen, wie die Forscher erklären.
Neue Möglichkeiten für die Quantenforschung
„Es ist das erste Mal, dass wir dieses kollektive Verhalten bei Atomen, die in einem optischen Gitter festgehalten werden, beobachten“, sagt Ruis Kollege David Wei. Diese neue Form der Interaktion zwischen Licht und Materie eröffnet ein neues Feld in der Grundlagenforschung, erschließt aber auch neue Anwendungen in der Quanteninformationsverarbeitung. So könnte sich der Spiegel für die Verarbeitung und Übertragung von Quanteninformation nutzen lassen.
„Ein solcher quantenschaltbarer Spiegel bietet interessante neue Möglichkeiten für die Übertragung von Quanteninformationen, wie sie etwa ein Quantencomputer ausgeben würde“, sagt Wei. Welche Anwendungsperspektiven der Quantenspiegel konkret eröffnet, wollen die Physiker nun näher ausleuchten. (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2463-x)
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft