Medizin

Parodontitis kann Krebs fördern

Chronische Zahnfleischentzündung erhöht das Risiko für Magen- und Speiseröhrenkrebs

Zahnfleisch
Eine chronische Zahnfleischentzündung kann Magen- und Speiseröhrenkrebs fördern. © zlikovec/iStock.com

Späte Nebenwirkung: Eine chronische Parodontitis schadet nicht nur dem Zahnfleisch, sie kann auch das Krebsrisiko erhöhen, wie nun eine Studie nahelegt. Demnach steigt das Risiko für Speiseröhrenkrebs durch anhaltende Zahnfleischentzündungen um 43 Prozent, das für Magenkrebs sogar um 52 Prozent. Mögliche Ursache dafür sind wahrscheinlich bestimmte Bakterien und die von ihnen ausgelösten Veränderungen der Schleimhäute.

Parodontitis ist eine Volkskrankheit: Im Schnitt jeder Zweite entwickelt im Laufe seines Lebens diese hartnäckige Zahnfleischentzündung – sogar der Gletschermann Ötzi litt schon daran. Typisch für diese von Bakterien verursachte Erkrankung sind Zahnfleischbluten, Entzündungen und im Extremfall sogar das Ausfallen der Zähne. Doch selbst wenn Letzteres ausbleibt, steht die Parodontitis inzwischen im Verdacht, auch Herz-Kreislauferkrankungen und sogar Alzheimer zu fördern.

Mehr Speiseröhren- und Magenkrebs

Eine weitere Spätfolge der Parodontitis haben nun Chun-Han Lo von der Harvard University in Boston und seine Kollegen identifiziert. Für ihre Studie werteten sie die Gesundheitsdaten von gut 98.000 Frauen und 49.000 Männern aus, die an zwei großen US-Langzeitstudien teilgenommen hatten. Dabei prüften die Forscher, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Zustand von Zahnfleisch und Zähnen und dem Risiko für verschiedene Krebsarten gab.

Das Ergebnis: Für zwei Krebsarten wurden Lo und sein Team fündig – Speiseröhrenkrebs und Magenkrebs. Demnach waren unter den Teilnehmenden, die in den 22 bis 28 Jahren der Studienlaufzeit eine dieser beiden Krebsarten entwickelten, überproportional viele mit Parodontitis und davon ausgelöstem Zahnausfall. Dieser Zusammenhang blieb auch dann bestehen, wenn andere Einflussfaktoren mit berücksichtigt wurden, wie die Forscher berichten.

Zwei Erreger im Verdacht

Konkret ermittelten die Wissenschaftler, dass das Risiko für Speiseröhrenkrebs bei Parodontitis um 43 Prozent steigt, für Magenkrebs sogar um 52 Prozent. Bei Menschen, die schon einen oder mehre Zähne durch die bakterielle Entzündung verloren haben, nimmt das Risiko gegenüber mundgesunden Personen sogar um 59 beziehungsweise 68 Prozent zu. „Das stützt die Bedeutung des oralen Mikrobioms für diese Krebsarten“, sagen Lo und seine Kollegen.

Mögliche Ursache für die krebsfördernde Wirkung der Zahnfleischentzündung könnten sowohl die Bakterien selbst als auch von ihnen verursachte Zellveränderungen sein. Wie die Forscher berichten, gibt es bereits Indizien dafür, dass die Parodontitis-Erreger Tannerella forsythia und Porphyromonas gingivalis in Tumoren und Vorstufen von Magen- und Speiseröhrenkrebs besonders häufig vertreten sind. Porphyromonas sei zudem dafür bekannt, durch seine Stoffwechselprodukte DNA-Schäden und Mutationen zu fördern und den Zellselbstmord zu hemmen.

Kausaler Zusammenhang wahrscheinlich

„Zusammengenommen unterstreichen diese Daten die Bedeutung des oralen Mikrobioms für den Speiseröhren- und Magenkrebs“, konstatieren Lo und seine Kollegen. Zwar handelt es sich bei ihrer Studie um eine Beobachtungsstudie, die nur Korrelationen feststellen, nicht aber kausale Zusammenhänge beweisen kann. Dennoch halten die Forscher einen Zusammenhang für durchaus wahrscheinlich.

Ein Grund dafür: Die krebsauslösende Wirkung einiger Bakterien ist schon länger bekannt. So gilt der Magenkeim Helicobacter pylori als Auslöser von Entzündungen und Tumorbildung. Chlamydien können Eierstockkrebs verursachen und auch bei Darmkrebs stehen seit Neuestem Bakterien unter Verdacht. Ob und wie auch einer oder mehrere Parodontitis-Erreger dazu gehören, müssen nun weitere Studien zeigen. (Gut, 2020; doi: 10.1136/gutjnl-2020-321949)

Quelle: BMJ

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