Medizin

Corona: Wie hoch ist die Ansteckungsgefahr durch Aerosole?

Superspreader kann Raumluft mit Millionen Viren pro Kubikmeter Luft anreichern

Coronavirus
Forscher haben ermittelt, wie hoch die Virenbelastung der Raumluft in Gegenwart eines Coronavirus-Infizierten werden kann © Blackjack3D/ iStock.com

Verseuchte Raumluft: Ist man mit einem infizierten Coronavirusträger in einem Raum, hängt das Ansteckungsrisiko entscheidend von seiner Virenlast ab – nicht aber davon, ob er Symptome hat. Denn auch asymptomatische „Superspreader“ können so viele Viren ausatmen, dass die Raumluft schon nach kurzer Zeit Millionen Virenkopien pro Kubikmeter Luft enthält. Forscher raten daher dringend davon ab, beispielsweise ein kleines Büro ohne Masken zu teilen.

Die Corona-Pandemie ist weiterhin im Gange und das Infektionsrisiko real. Inzwischen ist klar, dass SARS-CoV-2 nicht nur durch die klassischen Tröpfcheninfektion übertragen wird, sondern auch über Aerosole – winzige Schwebtröpfchen, die über Stunden in der Raumluft bleiben können und mehr als die 1,50 Meter Abstand überbrücken können – wie unter anderem der Ausbruch bei Tönnies belegt. Diese Mikrotropfen entstehen nicht nur beim Niesen oder Husten, sondern auch beim Atmen und Sprechen.

Virenlast und Atemluft

Doch wie hoch ist die Ansteckungsgefahr – beispielsweise in geschlossenen Räumen? Klar scheint, dass eine gute Lüftung und möglichst wenige Menschen pro Raum das Risiko verringern. Wie viele Viren aber tatsächlich in der Raumluft unterwegs sein können, haben nun Michael Riediker und Dai-Hua Tsai von Schweizer Zentrum für Arbeits- und Umweltmedizin in Winterthur untersucht.

Für ihre Studie gingen die Forscher von drei Stufen der Virenlast und Virenabgabe aus, die sie aus Patientendaten ermittelten: Ein schwacher Emitter trägt demnach etwa 1.000 Virenkopien pro Milliliter in der Lunge und atmet 0,0049 Virenkopien pro Kubikmeter Atemluft aus. Bei einem durchschnittlichen Infizierten liegt die Virenlast bei einer Million Virenkopien pro Milliliter und die Abgabe bei 4,9 Viren pro Kubikmeter.

Ein Superspreader – egal ob symptomatisch oder asymptomatisch – kann dagegen 100 Milliarden Viren pro Milliliter in sich tragen und 637.000 Kopien pro Kubikmeter Atemluft ausstoßen. Etwa ein Drittel dieser Viren wird in Form von Aerosolen ausgestoßen, wie die Forscher erklären.

Superspreader reichert Raumluft mit Millionen Viren an

Was aber bedeutet dies für die Raumluft? „Eine typische Person atmet in Ruhe rund 0,5 Kubikmeter pro Stunde aus, dies kann bei Anstrengung aber schnell auf mehrere Kubikmeter Luft pro Stunde ansteigen“, sagen Riediker und Tsai. Davon ausgehend lässt sich mithilfe eines Modells ermitteln, wie schnell und stark sich die Raumluft je nach Luftaustausch mit Viren anreichern kann. Für ihr Modell gingen sie von einem Raum mit 50 Kubikmeter Volumen und einem Luftaustausch von einmal pro Stunde, dreimal pro Stunde wie in vielen Büros und zehnmal pro Stunde wie im Krankenhaus.

Das Ergebnis: Beim normalen Atmen und in einem typischen Büro steigt die Virenkonzentration in der Raumluft im Laufe von gut einer Stunde an, bis sie dann ein Plateau erreicht. Ist die mit SARS-CoV-2 infizierte Person ein durchschnittlicher Emitter, liegt die Virenbelastung aber nur bei wenigen Virenkopien pro Kubikmeter Raumluft, wie die Wissenschaftler errechneten. Das Infektionsrisiko sei in einem solchen Fall eher gering.

Anders ist dies aber, wenn ein „Superspreader“ mit hoher Virenlast und -abgabe im Raum ist. Dann kann schon bei normalem Atmen die Virenkonzentration nach rund einer Stunde mehr als tausend Virenkopien pro Kubikmeter Raumluft erreichen. Hustet der Infizierte, steigt die Belastung auf mehr als sieben Millionen Viren pro Kubikmeter.

Kleine Büros besser nicht teilen

„Auf den Alltag übertragen bedeuten diese Resultate: Es besteht ein Infektionsrisiko, wenn man sich mehr als wenige Minuten in einem kleinen Raum zusammen mit einer infizierten Person mit hoher Virenlast aufhält“, sagen Riediker und Tsai. Das gelte auch dann, wenn man den Abstand einhalte. Solange es keine Schnelltests gibt, raten sie daher von einem Teilen von Büroräumen mit Kollegen ab. Denn angesichts der asymptomatischen Fälle und der Infektionsgefahr schon vor Symptombeginn weiß oft auch der mit SARS-CoV-2 Infizierte nichts von der Gefahr.

In jedem Fall raten die Forscher dazu, in geschlossenen Räumen Schutzmasken oder zumindest einen Nase-Mundschutz zu tragen. (JAMA Network Open, 2020; doi: 10.1001/jamanetworkopen.2020.13807)

Quelle: JAMA Network Open

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