Um ein Bild davon zu gewinnen, wie das versunkene Doggerland einst aussah, haben Archäologen auf eine Methode zurückgegriffen, die tief in den Schlamm der Nordsee-Sedimente hineinblicken kann – seismische Messungen. Sie werden schon seit Jahrzehnten bei der Suche nach Öl- und Gasvorkommen eingesetzt, können aber auch dabei helfen, verschüttete Landschaften zu rekonstruieren.
Seismische Daten liefern „Röntgenbild“ des Sediments
Bei der marinen Reflexionsseismik ziehen Schiffe spezielle Geräte hinter sich her, die mit Druckluft starke Luftpulse ins Wasser abgeben. Diese erzeugen Druckwellen, die in den Meeresgrund eindringen und als seismische Wellen das Sediment durchziehen. An Grenzschichten verschiedener Gesteine oder Hohlräume wird ein Teil der Wellen zurückgestreut. Diese Signale fängt das Messschiff mithilfe einer langen Kette von hochsensiblen Hydrophonen ein, die es hinter sich herzieht.
Um die alten Oberflächenstrukturen von Doggerland sichtbar zu machen, haben Vincent Gaffney von der University of Bradford und sein Team erstmals die seismischen Daten von mehr als 60 Kartierungen kommerzieller Förderfirmen zusammengetragen und ausgewertet. Erstmals gelang es ihnen so, einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft zu gewinnen, die sich noch vor 10.000 Jahren zwischen England und Skandinavien erstreckte.
Hügel, Flüsse und Wälder
Die Kartierung ergab: Die Landschaft des eiszeitlichen Doggerlands war überraschend vielfältig und keineswegs nur eine flache, strukturarme Ebene. Stattdessen gab es dort an manchen Stellen Seen, Marschland und ausgedehnte Feuchtgebiete. An anderen Orten dominierten dagegen weite grasbewachsene Täler, an die sich bewaldetes Hügelland anschloss. Sogar steile Kalksteinklippen durchzogen Teile des Doggerlands. Im Süden dieses heute versunkenen Landes sammelte sich das Wasser von Rhein, Maas und Themse in einem riesigen Süßwassersee. Er mündete westlich des heutigen Ärmelkanals in den Atlantik.
So vielfältig wie die Landschaft war auch die Tier- und Pflanzenwelt von Doggerland, wie unter anderem Pollenanalysen und Knochenfunde belegen. „In den höheren Lagen dominierten wahrscheinlich Birken- und Kiefernwälder die Landschaft, in den Tälern breitete sich dagegen offenen, krautige Vegetation aus“, beschreibt Alexander Verpoorte von der Universität Leiden die eiszeitliche Lebenswelt von Doggerland. In den Tälern weideten Herden von Elchen und Rothirschen, die Seen und Flüsse waren voller Fische.
„Doggerland war nicht bloß eine weite Ödnis oder eine Landbrücke, sondern wahrscheinlich einer der besten Lebensräume für Jäger und Sammler, die es damals in Europa gab“, erklärt Gaffney. Doch wo im Doggerland lebten diese Menschen? Und wo sind ihre Spuren geblieben?