Schleichende Kontamination: Die Landwirtschaft trägt heute mehr Schwefel in Böden ein als fossile Brennstoffe zum Höhepunkt des sauren Regens, wie eine US-Studie enthüllt. Hauptquelle dieses Eintrags sind schwefelhaltige Dünger und Pestizide. Stellenweise gelangt über sie bis zu zehnmal mehr Schwefel in Böden und Gewässer als noch Mitte des 20. Jahrhunderts, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten.
Schwefelemissionen waren der Grund für den sauren Regen und das große Waldsterben im 20. Jahrhundert: Millionenfach gelangte der Schwefel aus der Kohleverbrennung und Industrieabgasen ungefiltert in die Luft. Dort reagierte er mit Wasser zu schwefelsäurehaltigen Tröpfchen, die abregneten und die Waldböden großflächig versauern ließen. Inzwischen haben strengere Umweltauflagen diese Emissionen stark gesenkt.
Schwefel aus Dünger und Pestiziden
Doch dafür rückt nun eine andere, weitgehend unbeachtete Schwefelquelle nach: die Landwirtschaft. In ihr werden schwefelhaltige Substanzen als Dünger eingesetzt, aber auch als Fungizide wie beispielsweise im Weinbau. „Weltweit macht der landwirtschaftliche Einsatz rund 50 Prozent des jährlich produzierten Schwefels aus“, berichten Eve-Lyn Hinckley von der University of Colorado in Boulder und ihre Kollegen.
Für ihre Studie haben sie beispielhaft untersucht, wie hoch der Schwefeleinsatz für verschiedene Anbauarten in den USA ist und welche möglichen Folgen dies hat. „Schwefel wird eingesetzt, um die Produktivität und Gesundheit der Nutzpflanzen zu steigern, aber auf Böden und Gewässer kann er schädigende Auswirkungen haben – ähnlich wie damals bei den Waldböden beim sauren Regen“, erklärt Koautor Charles Driscoll von der Syracuse University.
Mehr Eintrag als beim sauren Regen
Die Auswertung ergab: In einigen Bereichen der Landwirtschaft und damit auch in einigen Regionen gelangt heute mehr Schwefel in die Böden als zum Höhepunkt des sauren Regens. Während die Einträge über die Luftverschmutzung stark nachgelassen haben, bekommen Böden und Gewässer mancherorts heute das bis zu Zehnfache an Schwefel wie noch in den 1970er Jahren. Damals wurden rund 20 Kilogramm Schwefel pro Hektar und Jahr abgelagert.
Heute überschreitet die Landwirtschaft diese Werte vor allem dort, wo Zuckerrohr, Zuckerrüben, Tomaten oder Wein angebaut werden. So liegen die Werte in den Zuckerrohr-Anbaugebieten rund um die Everglades in Florida im Schnitt bei 94 Kilogramm Schwefel pro Hektar und Jahr. Im Weinanbaugebiet von Napa Valley in Kalifornien werden zur Pilzbekämpfung rund 80 Kilogramm Schwefel pro Jahr und Hektar ausgebracht.
„Es schien lange, dass das Schwefelproblem vorbei wäre“, sagt Hinckley. „Aber unsere Analysen zeigen, dass sich das Problem nur verlagert hat. Statt eines breitgestreuten atmosphärischen Schwefeleintrags selbst über entlegenen Wäldern haben wir nun gezielte Einträge reaktiven Schwefels in landwirtschaftlichen Gebieten.“
Folgen für Böden und Gewässer
Und auch dieser Schwefeleintrag hat negative Folgen: In Gewässern kann Sulfat mit Eisen reagieren und dadurch die Phosphatbindung durch diese Metallverbindungen stören. „Als Folge kann die Sulfatverschmutzung die Eutrophierung von Seen und Feuchtgebieten verstärken“, erklären die Forscher. In Böden senkt der Schwefeleintrag den pH-Wert und kann so auch das Herauslösen von Schwermetallen fördern.
In einigen Feuchtgebieten kann ein erhöhter Schwefeleintrag zur verstärkten Bildung von Methylquecksilber führen. In den Everglades-Sümpfen in Florida macht sich dies schon bemerkbar: „Das aus den Anbaugebieten eingetragene Sulfat hat einen Peak in der Produktion von Methylquecksilber im Sediment und in den Quecksilberbelastungen von Fischen aus dieser Gegend hervorgerufen“, berichten Hickley und ihr Team.
Dringender Handlungsbedarf
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten die landwirtschaftlichen Einträge langfristig ähnlich gravierende Folgen für die Umwelt haben wie vor rund 50 Jahren der saure Regen. Denn der Mensch greife auf massive Weise in den natürlichen Schwefelkreislauf ein. „Es ist entscheidend wichtig, die Auswirkungen zu verstehen, die dies auf die Umwelt hat“, betont Hinckley. Wissenschaft, Landwirtschaft und Regulierungsbehörden müssten zusammenarbeiten, um das Problem zu erfassen und Lösungen zu finden.
Besonders dringend könnte dies überall dort sein, wo die Landwirtschaft immer weiter intensiviert wird, während gleichzeitig auch die atmosphärischen Emissionen noch hoch sind, wie in China und Indien. (Nature Geoscience, 2020; doi: 10.1038/s41561-020-0620-3)
Quelle: University of Colorado at Boulder