Im Tierreich kann es immer wieder vorkommen, dass eine Gruppe von Individuen von ihrer Population getrennt wird. So können beispielsweise mehrere Mäuse einer Population auf einem Stück Holz ins Meer hinaustreiben und schließlich auf einer Insel stranden. Wenn sie sich auf neuem Boden befinden, sind sie auch neuen Umweltbedingungen ausgesetzt.
Der veränderte Lebensraum stellt sie vor ungewohnte Herausforderungen. Sie müssen sich anpassen, um ihr Überleben zu sichern. Dadurch kann auf der Insel eine neue Population entstehen, die sich im Laufe der Evolution immer weiter von ihrer Ursprungspopulation unterscheidet. Beobachtungen zeigen, dass es dabei insbesondere auf Inseln zu außergewöhnlichen Veränderungen der Körpergröße kommen kann.
Das kleinste Mammut der Welt
Beispiele für eine solche Inselverzwergung lassen sich unter anderem bei Fossilien aus dem Eiszeitalter finden. Sie zeugen davon, dass auf einigen Mittelmeerinseln, wie Sizilien und Malta, einst verschiedene, heute ausgestorbene Zwergelefantenarten gelebt haben. Auch Zwergformen des Mammuts kamen auf einigen Inseln vor. Das kleinste Mammut der Welt lebte demnach auf Kreta – es wurde nur 1,13 Meter groß. Knochen weiterer Zwergmammuts wurden auch auf Sardinien entdeckt.
Forschungen zufolge lebten zudem noch vor rund 1.500 Jahren drei minderwüchsige Arten heute ausgestorbener Flusspferde auf der Insel Madagaskar. Auch einige Wolfsarten wie zum Beispiel der Honshu-Wolf aus Japan waren, verglichen mit heute lebenden Wolfsarten, stark verzwergt.
Verzwergung gibt es noch heute
Doch die Inselverzwergung ist nicht nur ein Phänomen der Vergangenheit. Sie lässt sich auch heute noch bei Waschbären, Kaninchen, Schweinen und Rotwild feststellen. Auch Schlangen neigen mit wenigen Ausnahmen zur Inselverzwergung. Die sogenannten Spitzbergen-Rentiere auf der norwegischen Insel Spitzbergen sind ebenfalls auffällig klein: Ihre Schulterhöhe beträgt nur 65 Zentimeter, während Rentiere auf dem Festland eine durchschnittliche Schulterhöhe von etwa 110 Zentimeter haben.
Und selbst bei den Elefanten gibt es heute noch eine verzwergte Unterart: Der Borneo-Zwergelefant kommt nur im Nordosten der indonesischen Insel Borneo in einer Population von etwa 1.000 Individuen vor. Er ist mit zwei Meter Schulterhöhe kleiner als alle anderen Asiatischen Elefanten, deren Männchen drei Meter Schulterhöhe erreichen können.
Wissenschaftler vom portugiesischen Forschungsinstitut Gulbenkian de Ciencia haben jüngst DNA-Proben dieser Elefanten untersucht, um ihre Herkunft zu bestimmen. „Die DNA-Analysen legen nahe, dass die Dickhäuter von Borneo seit rund 300.000 Jahren keinen Kontakt zu anderen Elefantenarten oder -unterarten hatten“, berichten sie. Berechnungen zufolge seien die Elefanten über einen damals noch existierenden Landweg nach Borneo gelangt.
Gerade Tiere, die auf dem Festland verhältnismäßig groß sind, scheinen auf Inseln tendenziell häufiger Populationen zu bilden, in denen sich der Zwergwuchs von Generation zu Generation durchsetzt.