Rätsel gelöst: Die mysteriöse Abdunklung des nahen Roten Riesen Beteigeuze ist doch kein Vorbote einer Supernova. Stattdessen hat ein gewaltiger Plasma-Ausbruch eine Staubwolke erzeugt, die den Stern seit Dezember 2019 um fast zwei Drittel dunkler machte. Das belegen nun Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop Hubble. Sie zeigen auch, dass die Oberfläche von Beteigeuze seit April 2020 wieder normal hell leuchtet.
Der Schulterstern des Orion gibt Astronomen seit Monaten Rätsel auf. Denn der rund 700 Lichtjahre entfernte Rote Riese hatte innerhalb weniger Wochen drastisch an Leuchtkraft verloren – er wurde um rund zwei Drittel dunkler, was sogar mit bloßem Auge sichtbar war. Eine solche Verdunklung kann das Vorzeichen einer bevorstehenden Supernova sein. Die unregelmäßige Verteilung der dunklen Stellen könnte aber auch von Sternenflecken oder großen Staubwolken verursacht werden.
Druckwelle in der Sternenatmosphäre
Jetzt liefern Daten des Weltraumteleskops Hubble Klarheit. Astronomen um Andrea Dupree vom Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics hatten Beteigeuze seit Januar 2020 mit dem UV-Spektrografen des Teleskops beobachtet. Anhand dieser spektralen Daten lässt sich unter anderem nachvollziehen, ob und wie sich Material von der Sternenoberfläche in die Atmosphäre des Roten Riesen bewegt.
Tatsächlich wurden die Astronomen fündig: „Die UV-Beobachtungen zeigen klar eine helle, heiße und dichte Struktur, die von September bis November 2019 in der oberen Photosphäre und unteren Chromosphäre des Sterns erscheint“, berichten die Astronomen. „Die UV-Linienprofile zeigen zudem die Passage einer nach außen gerichteten Druckwelle durch die Sternenatmosphäre.“
Plasma-Ausbruch der Extraklasse
Demnach hat Beteigeuze unmittelbar vor seiner Abdunklung einen heftigen Plasma-Ausbruch durchlebt, der enorme Mengen an Material mit mehr als 300.000 Kilometer pro Stunde ins All hinaus schleuderte. „Wir konnten sehen, wie sich eine heiße, dichte Region im Südost-Teil des Sterns nach außen bewegte“, sagt Dupree. „Dieses Material war zwei- bis viermal so hell wie der Rest des Sterns.“
Als Roter Riese am Ende seines Lebenszyklus verliert Beteigeuze regelmäßig große Mengen an Sternenmaterial. Sie werden durch große Konvektionsströmungen aus dem Sterneninneren an die Oberfläche transportiert und ausgeschleudert. Gleichzeitig durchlebt Beteigeuze rund 400 Tage dauernde Zyklen der Ausdehnung und Kontraktion. Wie Dupree erklärt, befand sich Beteigeuze zum Zeitpunkt des aktuellen Plasmaausbruchs gerade in einer expandierenden Phase dieses Zyklus.
Die Kombination von starker Konvektion und Ausdehnung könnte dazu geführt haben, dass der Plasma-Ausbruch zwei bis dreimal stärker ausfiel als bei Beteigeuze üblich, so die Vermutung der Astronomen. Die Rate des Masseverlusts lag bei diesem Ereignis rund 30 Millionen Mal höher als bei der Sonne.
Plasma kondensierte zur verhüllenden Staubwolke
Der Ausbruch kann auch die Abdunklung von Beteigeuze erklären: Als dieses ausgeschleuderte Plasma weiter ins All hinaus raste, kühlte es ab und kondensierte zu einer gewaltigen Staubwolke aus. Diese bewegte sich in der Sichtlinie zwischen die Erde und Beteigeuze und verdeckte so die Sicht auf den Stern. Als Folge schien sich der Rote Riese von Dezember 2019 an immer stärker zu verdunkeln.
Inzwischen allerdings hat sich die Lage wieder normalisiert: Beobachtungen zeigen, dass Beteigeuze seit April 2020 allmählich wieder zu seiner normalen Helligkeit zurückgekehrt ist. Die Astronomen vermuten aber, dass sich ein solches Abdunklungsereignis durchaus wiederholen könnte. Dupree und ihr Team wollen Beteigeuze ab Ende August wieder mit dem Hubble-Teleskop beobachten. Weil Beteigeuze zurzeit fast hinter der Sonne steht, hat ihn auch das NASA-Sonnenobservatorium STEREO im Blick.
Wird Beteigeuze zur Supernova?
„Keiner weiß, was ein Stern direkt vor seiner Supernova tut, weil man es noch nie beobachtet hat“, sagt Dupree. Zwar habe man schon Sterne einige Jahre vor einem solchen Ereignis gesehen, aber keine Daten von den Wochen und Tagen vor der Explosion. Dennoch hält die Astronomin es für eher unwahrscheinlich, dass eine Supernova bei Beteigeuze unmittelbar bevorsteht. „Die Chance, dass dieser Stern irgendwann demnächst zur Supernova wird, ist ziemlich gering“, so Dupree. (The Astrophysical Journal, 2020; doi: 10.3847/1538-4357/aba516)
Quelle: Hubble Spaceteleskope, Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian (CfA), Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam