Die Anzahl der Menschen, die jemals das schützende Magnetfeld der Erde verlassen haben, ist überschaubar: Insgesamt 24 Astronauten ließen mit den Apollo-Missionen den Van-Allen-Gürtel hinter sich, jenen Strahlungsgürtel, an dem in einer Höhe von rund 58.000 Kilometern das Magnetfeld der Erde aufhört zu existieren.
Von dort an schützt nichts mehr den menschlichen Körper vor der kosmischen Strahlung und vor den geladenen Teilchen, die ständig von der Sonne in alle Richtungen abströmen. Seitdem Apollo-Programm 1975 endete, sind nur noch Raumsonden ohne Besatzung in diese lebensfeindlichen Regionen vorgedrungen. Nun soll sich das ändern: Mit der Artemis-Mission will die amerikanische Weltraumbehörde auf dem Orion-Raumschiff die erste Frau und den nächsten Mann auf den Mond bringen.
Zwei Astronautinnen der ungewöhnlichen Art
Welche Strahlenbelastung auf diese Crew zukommen wird, ist Forschungsgegenstand des Experiments MARE (Matroshka AstroRad Radiation Experiment). Biophysiker des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereiten es für seinen Testflug vor – mit Helga und Zohar, den ersten „Astronautinnen“, die zum Mond fliegen.
Helga besteht aus 38 Scheiben, ist 95 Zentimeter groß, wiegt 36 Kilogramm und ihre Organe und Knochen sind aus Kunststoff. Zugegeben: Damit ist sie keine gewöhnliche Astronautin, und dennoch wird sie – gemeinsam mit ihrer Zwillingsschwester Zohar – Entscheidendes für die Raumfahrt leisten. Die beiden weiblichen Phantome werden in den Passagiersitzen der Orion-Kapsel sitzen und genau erfahren, welche Strahlung auf einen menschlichen Körper während des Fluges zum Mond und zurück zur Erde einwirkt.
Wie viel Strahlung droht?
„Es gibt mehrere Faktoren, die für den Menschen im All ein Risiko darstellen“, erklärt Thomas Berger, Strahlenbiologe am DLR-Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin. „Die Schwerelosigkeit beeinträchtigt unter anderem Knochen und Muskeln, die Isolation und die Entfernung von der Erde haben psychologische Auswirkungen, und die Strahlung kann sowohl lang- als auch kurzfristige Schäden verursachen.“
Die kosmische Strahlung kann beispielsweise das Krebsrisiko erhöhen oder das Sehvermögen schädigen. Solare Teilchenereignisse können zudem zur Strahlenkrankheit unter anderem mit Übelkeit und Müdigkeit führen. Die Strahlenbelastung eines Menschen auf der Erde liegt durchschnittlich bei drei Millisievert im Jahr – dieser Wert schließt bereits medizinische Untersuchungen wie Röntgenaufnahmen oder Computertomografien ein.
Mit dem Messgerät RAD (Radiation Assessment Detector) auf dem Marsrover Curiosity erfasste ein Wissenschaftlerteam des DLR bereits während des Fluges zum Mars die Strahlung: Die Dosis lag bei etwa zwei bis drei Millisievert – pro Tag!
Autorin: Manuela Braun/ DLR-Magazin