Phänomene

Wenn der Geist seiner eigenen Wege geht

Das Rätsel der außerkörperliche Erfahrungen

Es gibt einige Nahtod-Erlebnisse, die selbst Wissenschaftler ins Grübeln bringen. Denn in ihnen erleben die Betroffenen Dinge, die nicht so einfach durch neurologische Prozesse zu erklären sind. Dies trifft vor allem auf die außerkörperlichen Erfahrungen zu – das Gefühl, aus seinem Körper auszutreten und über ihm im Raum zu schweben.

außerkörperliche Erfahrung
Bei einer außerkörperlichen Erfahrung haben die Betroffenen das Gefühl, dass ihr Geist losgelöst über ihrem Körper schwebt. © sdominick/ iStock.com

Marias Schuh

Ein solcher Fall ist Maria, eine Patientin, die 1977 in einem Krankenhaus in Seattle einen Herzstillstand erlitt. Während die Ärzte versuchten, sie wiederzubeleben, erlebte sie, wie sich ihr Geist vom Körper löste und durch das Fenster nach draußen schwebte. Sie sah das Klinikgebäude von außen und bemerkte auf einem Fenstersims im dritten Stock einen einzelnen Tennisschuh, wie sie nach dem Aufwachen ihrer Sozialarbeiterin berichtete.

Als daraufhin die Sozialarbeiterin zu diesem Fenster ging, lag dort tatsächlich ein Schuh. Dieser sah nicht nur so aus, wie Maria ihn beschrieben hatte, er war auch von ihrem Raum aus nicht sichtbar. Allerdings: Die Geschichte lässt sich nicht nachprüfen – das einzige Zeugnis dafür ist die Aussage der Sozialarbeiterin, die selbst fest an Nahtod-Erlebnisse glaubt und regelmäßig auf entsprechenden Veranstaltungen zu Gast ist. Maria selbst ist dagegen unauffindbar.

Bildertest für schwebende Seelen

Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Forscher um Sam Parnia vom Stony Brook Medical Center in New York vor einigen Jahren einen großangelegten Test auf außerkörperliche Erfahrungen in fünf Krankenhäusern durchgeführt. Im Rahmen ihrer AWARE-Studie (AWAreness during REsuscitation) präparierten sie mehrere Räume, indem sie dort bunte Bilder auf hohe Wandregale legten. Dass sie dort lagen und was sie zeigten, war nur oben erkennbar – beispielsweise von einem unter der Decke Schwebenden.

Von den 330 Patienten, die in diesen Kliniken einen Herzstillstand erlitten, berichteten 55 hinterher von verschiedenen Nahtod-ähnlichen Erlebnissen. Davon hatten aber nur neun eine außerkörperliche Erfahrung und diese passierten ausgerechnet bei den Patienten, die außerhalb der präparierten Räume reanimiert werden mussten.

Ein kahlköpfiger Mann und die Computerstimme

Doch es gab einen Fall, der dennoch Erstaunen auslöste. „Der Patient beschrieb die Menschen, Töne und Aktivitäten, die während seines Herzstillstands präsent waren, ganz akkurat und zutreffend“, berichten Parnia und seine Kollegen. So sah der 57-Jährige nicht nur seinen Körper von oben, er beschrieb auch einen kahlköpfigen Mann und eine Krankenschwester, die an seinem Körper hantierten. Dazu hörte er eine Computerstimme sagen: „Shock the Patient, shock the Patient“.

Tatsächlich war beim Herzstillstand des Patienten ein Alarm mit dieser Ansage angesprungen. Der kahlköpfige Mann war ein Arzt, der erst beim Herzstilstand in den Raum gekommen war und den der Patient weder vorher noch hinterher gesehen hatte. „Die detaillierten Erinnerungen stimmten in diesem Fall genau mit den realen Ereignissen überein“, berichtet Parnia.

Mehr als bloß Halluzinationen

Nach Ansicht der Forscher spricht dieser Fall dagegen, dass es sich bei Nahtod-Erfahrungen um bloße Halluzinationen handelt. Denn zumindest dieser Patient erlebte die realen Ereignisse während seiner Wiederbelebung offenbar auf irgendeine Weise mit – trotz Herzstillstand. Parnia und seine Kollegen schließen daraus, dass sich solche Nahtod-Erfahrungen doch grundlegend von den Erfahrungen bei Epilepsiepatienten oder Narkotisierten unterschieden müssen.

Merkwürdig auch: Die Erinnerungen ihres Patienten stammten aus dem Zeitintervall, in der sein Herz stillstand und damit auch die Blutzufuhr zu seinem Gehirn unterbrochen war. „Seine Erfahrungen und Wahrnehmungen ereigneten sich in einer dreiminütigen Zeitperiode, als er keinen Herzschlag hatte“, berichten die Forscher. „Das ist paradox, denn normalerweise hört das Gehirn schon 20 bis 30 Sekunden nach dem Herzstillstand auf zu funktionieren.“

Wie ist das zu erklären?

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Nahtod-Erlebnisse
Rätselhafte Grenzerfahrungen zwischen Leben und Tod

Tunnel, Licht und schwebende Seele
Was kennzeichnet Nahtod-Erfahrungen?

Bloße Halluzinationen?
Was Epilepsie und andere Phänomene mit Nahtod-Erfahrungen verbindet

Wenn der Geist seiner eigenen Wege geht
Das Rätsel der außerkörperliche Erfahrungen

Blick ins sterbende Gehirn
Was passiert nach dem Herzstillstand im Denkorgan?

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