Psychologie

Was verraten unsere Träume?

Auswertung von 24.000 Trauminhalten stützt Kontinuitäts-Hypothese

Träumen
Wie Trauminhalte zustande kommen, ist bis heute ein Rätsel. © Victor_Tongdee/ iStock.com

Spiegel des Alltags: Die computergestützte Auswertung von mehr als 24.000 Träumen bestätigt die Annahme, dass wir im Schlaf vor allem unsere Wacheindrücke verarbeiten – die Erfahrungen unseres alltäglichen Lebens. So waren die Trauminhalte von Männern oft negativer und stärker von aggressiven Handlungen geprägt als die von Frauen. Die Träume Heranwachsender spiegeln dagegen ihren Übergang ins Erwachsenenalter wider.

Schon seit Jahrhunderten rätseln Menschen darüber, was Träume bedeuten. Sind sie Botschaften unseres Unbewussten und spiegeln unsere tiefsten Wünsche wider, wie Sigmund Freud und andere Psychoanalytiker vermuten? Oder entstehen die Trauminhalte nur aus dem Leerlauf unseres Geistes – ein Nebenprodukt der Verarbeitung tagsüber gemachter Erfahrungen? Bislang sind diese Fragen nicht abschließend beantwortet – die Meinungen der Wissenschaftler gehen noch immer auseinander.

Maschinenhirn als Traumdeuter

Mehr Aufklärung könnte nun eine Methode bieten, die Alessandro Fogli von der Universität Rom und seine Kollegen entwickelt haben. Sie nutzten ein lernfähiges Computerprogramm, um automatisiert die Trauminhalte von mehr als 24.000 Traumberichten auszuwerten, die in zwei internationalen Datensammlungen enthalten sind. Der Algorithmus kann anhand bestimmter Begriffe und ihrer Bedeutung und Konnotation drei Kernmerkmale der Trauminhalte erfassen und bewerten.

„Bisher waren die meisten Versuche, Trauminhalte automatisiert auszuwerten, darauf beschränkt, die im Traum transportierten Emotionen zu erfassen“, erklären die Forscher. „Andere für die Traumforschung wichtige Aspekte, wie die auftauchenden Charaktere und ihre Interaktionen, blieben dagegen unberücksichtigt.“ So nutzt eine gängige Analyseskala, Hall und Van Castle, genau diese Aspekte, um Trauminhalte einzuordnen.

Charaktere, Interaktionen und Emotionen

Das von Fogli und seinen Kollegen entwickelte Computersystem ging die Traumberichte Satz für Satz durch und extrahierte anhand von Wortwahl, Grammatik und Kontext zunächst, wer die Akteure waren – ob Mann oder Frau, lebender Mensch oder Geist/Fantasiewesen. Dann ermittelte der Algorithmus auf Basis der verwendeten Verben, welcher Natur die Interaktionen der Handelnden sind – freundlich, aggressiv oder sexuell.

Als letztes bewertete das Programm die in den Berichten verwendeten Wörter in Bezug auf ihren emotionalen Gehalt. Auf Basis eines speziellen Emotions-Lexikons stufte es die Trauminhalte nach den Grundgefühlen Ärger, Angst, Spannung, Vertrauen, Überraschung, Trauer, Freude und Ekel ein. Um die Zuverlässigkeit des Tools einzustufen zu können, verglichen die Forscher einen Teil seiner Analysen mit der einiger ausgebildeter Schlafforscher und Psychologen. „Unsere Ergebnisse sprechen dafür, dass solche Technologien wichtige Aspekte von Träumen erfassen und quantifizieren können“, sagt Fogli.

Setzen sich Unterschiede im Alltag bis in den Traum fort?

Dann folgte die eigentliche Untersuchung: Auf Basis dieser automatisierten Analyse untersuchten die Wissenschaftler, ob sich in den Trauminhalten Hinweise darauf finden, dass die „Kontinuitäts-Hypothese“ zutrifft. Sie geht davon aus, dass wir im Traum unsere alltäglichen Erfahrungen verarbeiten und weiterleben.

„Unser Alltag ist von einer Vielzahl von Faktoren geprägt, dazu gehören unser Geschlecht, die aktuelle Lebensphase, tiefgreifende Erlebnisse oder auch die Erfahrung alltäglicher Gewalt“, erklären die Forscher. Wenn die Kontinuitäts-Hypothese zutrifft, müssten sich demnach Träume von Frauen systematisch von denen der Männer unterscheiden, die von Jugendlichen von denen Erwachsener oder auch die eines Kriegsveteranen von denen eines Menschen, der nie beim Militär war. Genau das haben Fogli und sein Team mithilfe ihrer Software überprüft.

Männer träumen anders als Frauen

Das Ergebnis: Die Träume von Männern und Frauen unterscheiden sich tatsächlich in einigen grundlegenden Aspekten. „Männerträume enthalten mehr Kennzeichen der Aggression und mehr negative Emotionen“, berichten die Forscher. „Frauen dagegen berichten häufiger über positive Gefühle und freundliche Interaktionen der Traumcharaktere.“

Nach Ansicht von Fogli und seinem Team spiegelt dies durchaus die durchschnittlichen Alltagserfahrungen der beiden Geschlechter wider: „Ähnlich wie im richtigen Leben neigen Frauen dazu, freundlicher und weniger aggressiv zu sein als Männer“, erklären sie. Demgegenüber spiegeln die Trauminhalte Heranwachsender häufig ihren Übergang vom Kind zum Erwachsenen wieder: „Izzy erlebte als Teenager im Traum viele negative Emotionen, später spielten sexuelle Interaktionen eine immer größere Rolle“, schildern die Forscher ein Beispiel.

Resultate spreche für die Kontinuitäts-Hypothese

Während diese Tendenzen bei der Analyse nur einzelner Traumberichte oft noch nicht deutlich werden, lassen sie sich durch die Auswertung großer Mengen an Traumberichten besser vergleichen und quantifizieren. Die große Datenbasis erleichtert es somit, solche Aspekte zu erkennen, wie die Wissenschaftler erklären. Sie schließen aus ihren Ergebnissen, dass die Hypothese einer Fortsetzung der Alltagserfahrungen bis in den Traum hinein zutrifft.

„Unsere Resultate stützen die Idee, dass es eine Kontinuität zwischen dem gibt, was eine Person tagsüber im echten Leben erfährt und was sie träumt“, so Fogli und seine Kollegen. (Royal Society Open Science, 2020; doi: 10.1098/rsos.192080)

Quelle: Royal Society

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