Anthropogeographie

Baustelle Ozean

Forscher ermitteln Ausmaß der menschengemachten Strukturen in den Weltmeeren

Aquakulturen
Aquakulturen wie hier vor der Küste Nordost-Chinas gehören zu den häufigsten Bauwerken des Menschen im Meer. © NASA Earth Observatory

Der Mensch baut nicht nur an Land, sondern auch in den Meeren. Wie viele Quadratkilometer Meeresboden das weltweit schon betrifft, haben Forscher nun zum ersten Mal zusammengetragen. Demnach ist bereits eine Fläche von rund 32.000 Quadratkilometern durch menschliche Bauten verändert. Rechnet man auch indirekte Eingriffe hinzu, sind bis zu 3,4 Millionen Quadratkilometer anthropogen geprägt.

Die Bauwerke in den Meeren sind Teil der sogenannten Technosphäre. Dazu zählt alles, was Menschen erschaffen und produziert haben, um auf der Erde besser überleben zu können. Auch den Meeresboden verändern Menschen bereits seit Tausenden von Jahren: Es wurden Häfen gebaut, Wellenbrecher im Meer installiert oder sogar künstliche Inseln aufgeschüttet. Das Menschen die Meere verändern, ist also erst einmal nichts Neues.

„Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat die Entwicklung jedoch stark zugenommen, was negative und positive Auswirkungen hat“, sagt Erstautorin Ana Bugnot von der Universität Sydney. „Während die künstlichen Riffe zum Beispiel genutzt werden, um den Tourismus zu fördern und die Fischerei zu unterbinden, kann diese Infrastruktur auch empfindliche Lebensräume wie Seegraswiesen, Wattenmeere oder auch Salzwiesen schädigen und damit die Wasserqualität beeinträchtigen.“ Und auch eine Fragmentierung der Lebensräume durch menschliche Bauwerke kann negative Folgen haben.

Karte
Diese Karte zeigt, wo der Mensch die Küstengebiete schon verändert hat. © Bugnot et al./ Nature Sustainability

Bis zu 3,4 Millionen Quadratkilometer sind anthropogen beeinflusst

Wie groß das Ausmaß der vom Menschen ins Meer gebauten Strukturen ist, haben Bugnot und ihre Kollegen nun erstmals näher ermittelt. Für ihre Studie werteten sie veröffentlichte Daten der unterschiedlichen Industriezweige aus, aber führten auch eigene Schätzungen durch, wenn keine Daten verfügbar waren. „Es fehlt an Informationen über die Entwicklung der Ozeane, weil sie in vielen Teilen der Welt nicht ausreichend reguliert ist“, erklärt Bugnot.

Trotz der Datenlage konnten die Forscher errechnen, wie viel Meeresboden bisher durch den Menschen bebaut wurde. Weltweit sind das 32.000 Quadratkilometer. Das Forscherteam hat, neben der direkt bebauten Fläche, auch die Fläche ermittelt, die sich indirekt durch menschliche Eingriffe verändert hat – beispielsweise durch Lärm. Sie liegt um ein Vielfaches höher als die des bebauten Meeresbodens. Zwischen einer und 3,4 Millionen Quadratkilometer Meeresfläche hat der Mensch demnach bereits verändert, schätzen die Forscher.

Den Großteil der anthropogen geprägten Fläche lokalisierten sie in der Nähe von Küsten. Mit gut 71 Prozent sind Aquakulturen die Bauten, die die meiste direkte Fläche in Anspruch nehmen. Darauf folgen kommerzielle Häfen mit 14 Prozent und künstliche Riffe mit 11 Prozent.

Eingriffe in China am umfangreichsten

Mit Hilfe der errechneten Daten erstellten die Forscher verschiedene Weltkarten, auf denen zu sehen ist, wo sich bestimmte anthropogenen Eingriffe befinden. Das Land mit den meisten Bauwerken im Ozean ist demnach China – mit einem Anteil von 40 Prozent und einem Flächenverbrauch von 13.000 Quadratkilometern. Der größte Flächenverbrauch entsteht hier durch Aquakulturfarmen. Die meisten Häfen haben die Forscher indes in den USA und Kanada lokalisiert. Der weltweit größte Flächenverbrauch für Öl- und Gasförderplattformen ist dagegen im Golf von Mexiko zu finden.

Für die Zukunft prognostiziert das Forscherteam einen weiteren Anstieg der durch den Menschen bebauten Meeresfläche. Bis 2028 erwarten sie einen Zuwachs um weitere 7.300 Quadratkilometer. Dazu beitragen werden Faktoren wie der Ausbau von Infrastrukturen für die Energiegewinnung sowie für Aquakulturen. Und auch der Klimawandel wird bei der Bebauung des Meeresbodens zukünftig eine größere Rolle spielen. Denn durch einen ansteigenden Meeresspiegel wird der Schutz der Küsten vor Erosion und Überschwemmungen immer wichtiger und dementsprechend auch mehr Fläche in Anspruch nehmen.

Von der Natur lernen

Um die Eingriffe in die Ozeane zu minimieren, schlagen die Forscher vor, beispielsweise für den Küstenschutz auf naturnahe Lösungen zurückzugreifen. So sind Mangroven, Salzwiesen, Muschel- und Korallenriffe gute natürliche Küstenschutzkonstruktionen.

Auch der Anwendung von ökologischen Prinzipien bei der Konstruktion von neuen Bauwerken messen die Forscher eine große Bedeutung bei. Ihrer Meinung nach ermöglichen es solche Lösungen, wichtige Ökosystemdienstleistungen der Ozeane wie die Kohlenstoffbindung, die Bereitstellung von Lebensräumen oder die Versorgung mit sauberer Luft und Wasser zu erhalten. (Nature Sustainability, 2020; doi: 10.1038/s41893-020-00595-1)
Quelle: University of Sydney

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