Spektakulärer Fund: In Nordindien haben Forscher das bislang älteste Fossil eines urzeitlichen Gibbons entdeckt. Der 13 Millionen Jahre alte Backenzahn schließt eine große Lücke im ohnehin sehr spärlichen Fossilstammbaum dieser Primaten. Zudem belegt er, dass die Vorfahren der Kleinen Menschenaffen wahrscheinlich etwa gleichzeitig mit den Orang-Utan-Vorfahren von Afrika nach Asien gelangten, wie die Wissenschaftler berichten.
Gibbons (Hylobatidae) sind die Schwestergruppe der Großen Menschenaffen und damit nahe Verwandte des Menschen. Doch wie sich diese heute nur in Südostasien vorkommenden Primaten entwickelten und wann ihre Vorfahren aus Afrika nach Asien gelangten, ist bislang unbekannt – es fehlt schlicht an Fossilien. Das bislang älteste Relikt eines Gibbon-Vorfahren, des Yuanmoupithecus, sind einige rund sieben bis acht Millionen Jahre alte Zähne, die in der chinesischen Provinz Yunnan gefunden wurden.
„Die Ursprünge der Hylobatiden liegen noch immer im Dunkeln“, sagen Christopher Gilbert von der City University of New York und seine Kollegen. „Obwohl sie zu einer der artenreichsten Gruppe der Affen gehören, ist ihr Fossilbestand beklagenswert unvollständig.“
Ein Zahn im Erdhaufen
Doch jetzt gibt es ein neues Fossil, das entscheidende Einblicke in die Vergangenheit der Gibbons gibt. Entdeckt haben es Gilbert und sein Team in Ramnagar im Norden Indiens. Bei einer Exkursion fiel Gilbert ein kleines, glänzendes Objekt in einem Erdhaufen auf. Bei näherer Betrachtung erwies sich der Fund als Zahn. „Wir wussten sofort, dass es ein Primatenzahn sein muss, aber er unterschied sich von denen aller zuvor in diesem Gebiet gefundenen Primaten“, sagt Gilbert.
„Anhand der Form und Größe vermuteten wir schon, dass er von einem Gibbon-Vorfahren stammen könnte, aber das schien fast zu schön um wahr zu sein.“ Um den Zahn näher zu bestimmen, untersuchten ihn die Paläontologen mithilfe der Mikrotomographie und verglichen seine Merkmale mit der heute lebender und ausgestorbener Primatenarten. Eine Datierung ergab, dass das Fossil rund 13 Millionen Jahre alt war.
Erster Gibbon aus dem Miozän
Die Vermutung bestätigte sich: „Was wir herausgefunden haben, war wirklich überwältigend. Es deutet unzweifelhaft auf enge Verwandtschaft dieses 13 Millionen Jahre alten Zahns zu de Gibbons hin“, sagt Co-Autorin Alejandra Ortiz von der Arizona State University in Tempe. Den Vergleichsanalysen zufolge besitzt der Zahn noch größere Ähnlichkeit zu denen heut lebender Gibbons als der von Yuanmoupithecus, obwohl er gut fünf Millionen Jahre älter ist.
„Auch wenn wir bislang nur diesen einen Zahn von ihm haben und wir daher vorsichtig sein müssen, ist dies eine einzigartige Entdeckung“, sagt Ortiz. „Denn dieser Fund verschiebt den ältesten bekannte Beleg für Gibbons um mindestens fünf Millionen Jahre in die Vergangenheit und liefert uns damit einen dringend benötigten Einblick in die frühen Stadien ihrer evolutionären Geschichte.“
Zusammen mit den Orang-Utans aus Afrika gekommen
Der Kapi ramnagarensis getaufte Urzeit-Gibbon ist der älteste bekannte Vorfahre der heute lebenden Hylobatidae – und schließt eine wichtige Lücke in ihrem Fossilstammbaum. Gleichzeitig ist er das früheste Zeugnis der Präsenz dieser Primatengruppe in Asien. Der Fund belegt erstmals, dass die Vorfahren der Gibbons und die zu den Großen Menschenaffen gehörenden Orang-Utans etwa zur gleichen Zeit in Asien präsent waren. Das gibt auch neue Einblicke darin, wann diese Primaten aus Afrika nach Asien gelangten.
„Auch wenn vieles an der Evolution der Hylobatiden weiterhin unbekannt bleibt, ist es nun wahrscheinlich, dass sie gegen Ende des Miozäns von Afrika nach Asien kamen – wahrscheinlich zur gleichen Zeit wie einige Große Menschenaffen“, sagen Gilbert und seine Kollegen. Dank des fossilen Zahns von Kabi ramnagarensis ist nun klar, dass diese Migration vor 13 Millionen Jahren bereits stattgefunden haben muss. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2020; doi: 10.1098/rspb.2020.1655)
Quelle: Arizona State University