Chemie

Skurril: Ammoniak aus Bier und Bor

Umwandlung von Stickstoff in Ammoniak bei Raumtemperatur "in einem Topf"

N2 zu Nh4
Bor hilft dabei, Luftstickstoff bei Raumtemperatur und ohne Hochdruck in Ammonium umzuwandeln. Die Reaktion funktioniert sogar mit Bier statt Wasser. © Universität Würzburg/ AG Braunschweig

Spannender Fortschritt: Chemiker haben einen Weg gefunden, Stickstoff ohne hohen Druck und hohe Temperaturen in Ammoniak umzuwandeln – mit Bor als entscheidendem Reaktionspartner. Die mehrschrittige Reaktion gehört zu den wenigen, die die stabile Bindung im Luftstickstoff aufbrechen kann. Das Skurrile: Diese Reaktion funktioniert auch mit Bier statt Wasser, wie die Forscher demonstriert haben.

Stickstoff ist ein essenzieller Pflanzennährstoff und in der Luft eigentlich reichlich vorhanden. Weil aber die Bindung zwischen den beiden Atomen des Stockstoffmoleküls (N2) extrem stabil ist, ist seine Umwandlung in die biologisch verwertbare Formen Ammonium (NH4+) und Nitrat schwierig. Die gängige Methode, das Haber-Bosch-Verfahren, erfordert hohen Druck, hohe Temperaturen und einen Eisenkatalysator.

„Als Folge werden rund ein Prozent der auf der Welt gewonnenen Energie allein für die Synthese von Ammoniak verbraucht“, erklären Marc-André Légaré von der Universität Würzburg und seine Kollegen.

Bor hilft beim Bindungsbruch

Weltweit suchen Wissenschaftler daher nach Methoden, durch die sich Luftstickstoff einfacher und sparsamer in Ammoniak umwandeln lässt. Dabei zeigte sich zwar, dass einige Übergangsmetalle die Stickstoff-Bindung aufbrechen können, sie sind aber teuer und auch diese Methoden erfordern hohe Temperaturen. Das Team um Légaré hat daher nach Elementen gesucht, die sich auch unter normalen Bedingungen als Reaktionspartner eignen.

Die Forscher wurden fündig: Das leichte Element Bor erwies sich schon in ersten Vorversuchen als geeigneter Partner für den Stickstoff. Doch um aus Luftstickstoff Ammoniak herzustellen, fehlte noch der Rest der Reaktionskette. „Wir wussten, dass die vollständige Umwandlung von Stickstoff in Ammonium eine große Herausforderung darstellen würde, da sie eine komplexe Abfolge chemischer Reaktionen erfordert, die oft nicht miteinander kompatibel sind“, erklärt Légarés Kollege Holger Braunschweig.

Vom Luftstickstoff zum Ammonium

Jetzt ist es den Forschern gelungen, die komplette Umwandlung von Luftstickstoff in Ammoniak bei Raumtemperatur, niedrigem Druck und ohne Übergangsmetalle ablaufen zu lassen. Als Ausgangssubstanz dient eine komplexe organische Borverbindung, in die der Distickstoff zunächst eingebunden wird. Über mehrere aufeinanderfolgende Schritte kommt es schließlich zur Spaltung der Bindung zwischen den beiden Stickstoffatomen und zur Bildung von Ammonium.

Der Durchbruch gelang fast durch Zufall: Spuren von Wasser, die in einer Probe zurückblieben, reichten aus, um die nötigen Folgereaktionen anzustoßen. Entscheidende Voraussetzung jedoch blieb das Bor: „Der Unwille des elektronenreichen Bors, weitere Elektronen anzunehmen, zwingt die Reduktionsschritte dazu, primär am Distickstoff abzulaufen – und das erleichtert die Spaltung der N-N-Bindung und die Protonierung des Stickstoffs“, erklären die Wissenschaftler.

Geht auch mit Bier statt Wasser

Doch damit nicht genug: Als die Forscher erkannten, dass die Reaktion selbst mit einfachen Reagenzien wie Wasser funktionierte, wiederholte sie diese – mit dem Bier der örtlichen Brauerei Würzburger Hofbräu. Zu ihrer Freude konnten die Chemiker auch damit die Vorstufe von Ammonium erzeugen. „Dieses Experiment haben wir aus Spaß gemacht. Aber es zeigt, wie tolerant das System gegenüber Wasser und anderen Verbindungen ist“, erklärt Légaré.

Sein Kollege Rian Dewhurst ergänzt: „Die Reduktion von Stickstoff zu Ammonium ist eine der wichtigsten chemischen Reaktionen für die Menschheit. Dies ist zweifellos das erste Mal, dass sie mit Bier gemacht wurde, und es ist besonders passend, dass dies in Deutschland passiert ist.“

„Es ist noch viel zu tun“

So wegweisend diese Ergebnisse auch sind – noch ist dieses neuen Verfahren weit von einem Einsatz in der industriellen Produktion von Ammonium entfernt. Wie die Forscher erklären, muss noch ein Weg gefunden werden, um den Prozess energieeffizient und wirtschaftlicher zu gestalten. „Hier gibt es noch viel zu tun, aber Bor und die anderen leichten Elemente haben uns schon so oft überrascht. Sie sind eindeutig zu so viel mehr fähig“, sagt Braunschweig. (Nature Chemistry, 2020; doi: 10.1038/s41557-020-0520-6)

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg

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