Keine Chance, sie zu verdrängen: Wanzen weisen dank ihrer Überlebenskünste – ihres enormes Nahrungsspektrums, ihrer geringen Standortansprüche und ihrer Abwehrmechanismen – eine enorme Artenvielfalt auf und sind weltweit verbreitet. Und obwohl sich die Wanzenarten stark voneinander unterscheiden, haben sie alle einiges gemeinsam.
Von den weltweit etwa 40.000 bekannten Wanzenarten leben in Europa etwa 3.000. Wanzen gehören wie die verwandten Zikaden (Auchenorrhyncha) und Pflanzenläuse (Sternorrhyncha) zur Ordnung der Schnabelkerfe (Hemiptera). Der deutsche Name beschreibt ihre Gemeinsamkeit: die schnabelartigen, stechend-saugenden Mundwerkzeuge. Biologen unterscheiden Wanzen in 23 Unterfamilien und in sieben Teilordnungen. Die Arten lassen sich auch nach ihrer Lebensweise in Wasserwanzen (Hydrocorisae), Wasserläufer (Amphibiocorisae) und Landwanzen (Geocorisae) gliedern.
Sie überleben überall
Wanzen kommen in nahezu allen Lebensräumen vor. Zwar lieben die meisten Wanzenarten Wärme und Trockenheit. Einige Arten bevorzugen aber auch feuchtere Standorte, andere leben in Mooren, in sandigen oder in salzigen Lebensräumen. Es gibt außerdem aquatische Arten, die im Wasser leben, sowie Arten, welche auf der Wasseroberfläche existieren. Meerwasserläufer aus der Gattung Halobates leben als einzige Insekten sogar permanent auf dem offenen Ozean.
Die weltweite Verbreitung der Wanzen wird durch ihre vielfältigen Ernährungsweisen begünstigt: Hauptsächlich saugen Wanzen Pflanzensäfte. Es gibt jedoch auch eine Reihe von räuberisch lebenden Spezies, die sich von anderen Insekten und Pilzen ernähren. Einige wenige Arten sind Ektoparasiten, die wie zum Beispiel die Bettwanze (Cimex lectularius) an größeren Tieren Blut saugen. Unabhängig von der Art der Ernährung können aber alle Wanzenarten nur Flüssignahrung zu sich nehmen. Hierfür besitzen sie spezielle Werkzeuge.
Maßgeschneiderte Werkzeuge
Die Mundwerkzeuge am Wanzenkopf sind typischerweise mit Stechborsten ausgestattet, welche an ihrer Spitze scharfe Zähnchen besitzen. Mit deren Hilfe bohren die Insekten winzige Löcher in Pflanzen oder Beutetiere. Die Aufnahme der Nahrung erfolgt dann über einen Saugrüssel, der direkt an der Unterseite ihres Kopfes sitzt. Er besteht aus zwei dünnen Röhrchen, mit denen die pflanzenfressenden Wanzen die nährstoffreichen Säfte einsaugen.
Handelt es sich um karnivore Wanzen, die fleischhaltige Kost verspeisen, ist die Nahrungsaufnahme etwas aufwendiger: Durch das eine Röhrchen pumpen die Wanzen einen Verdauungssaft in ihre Nahrung, der beispielsweise das tote Insekt zersetzt. Durch das andere Röhrchen saugen sie den vorverdauten Nahrungsbrei auf.
Vielfältig ausgestattet
Die Füße der Wanzen verfügen über Krallen, Haftlappen oder Haare und können so je nach Art zum Laufen, Springen oder Schwimmen genutzt werden. Auf der Bauchseite hat der Thorax spezielle Duftdrüsen. Damit verbreiten viele Wanzen bei Gefahr einen üblen Gestank, der Angreifer abschreckt. Gleichzeitig kommunizieren die Wanzen über ihre Duftstoffe. So geben zum Beispiel die Larven ein Gemeinschafts-Pheromon ab, das zur Bildung großer Gruppen führt.
Der Panzer gestaltet sich bei den verschiedenen Wanzenfamilien in seiner Farbe und Form sehr vielseitig – damit lassen sich die Arten meist unterscheiden. Ihre Vorderflügel sind am Ansatz verdickt und ledrig, hinten dagegen häutig. Dieser Zweiteilung verdanken die Wanzen ihren lateinischen Namen Hemiptera – Halbflügel. Die Hinterflügel sind immer häutig. Es gibt aber auch kurzflügelige oder flügellose Wanzenarten.
Paarung nach Belieben
Apropos vielfältig: In puncto Paarung haben die Wanzen ganz unterschiedliche, teils skurrile Methoden entwickelt. Die ausgefallenste ist jene der Bettwanzen (Cimex lectularius), wobei das Männchen das Weibchen ohne Werbeverhalten überfällt und sofort begattet. Sichelwanzen hingegen sitzen stundenlang auf den Weibchen und umklammern es mit den Beinen. Viele Wanzenfamilien wie die Baumwanzen (Pentatomidae), die Feuerwanzen (Pyrrhocoridae), die Randwanzen (Coreidae) und die Stelzenwanzen (Berytidae) paaren sich Hinterleib an Hinterleib. Netzwanzen (Tingidae) sitzen dagegen rechtwinklig zueinander. Bei den Rindenwanzen (Aradidae) sitzt das Männchen während der Paarung unter den Weibchen.
Um ihre Eier abzulegen, verfügen Weibchen etlicher Wanzenarten über einen Legebohrer. Damit werden die Eier in die Erde oder in Pflanzenteile eingebohrt. Andere Arten besitzen dagegen nur einen stark zurückgebildeten Legeapparat. Diese Weibchen verscharren die Eier oder kleben sie in Gruppen von meist 20 bis 30 Eiern an Pflanzenteile an. Die Weibchen der mediterranen Randwanze Phyllomorpha laciniata handhaben die Eiablage auf ihre eigene Art und Weise: Sie kleben ihre Eier oft auf die Flügel der Männchen.
Manche Weibchen verpacken ihre Eier in speziellen Ballen, in denen sich auch Bakterien befinden. Die frisch geschlüpften Nymphen saugen diese als Nahrung auf – ein Beispiel hierfür ist die Kugelwanze Coptosoma scutellatum. Etliche Arten der Wanzen betreiben Brutpflege: Die Eier werden von den Muttertieren bis zum Schlüpfen der Jungen und auch noch einige Zeit danach bewacht und zeitweise mit dem Körper bedeckt. Bei Gefahr können sogar schon die Nymphen ihren Angreifern ihren Hinterleibsrücken mit den Duftdrüsen entgegenwenden.
Im Gegensatz zu Schmetterlingen oder Käfern verpuppen sich Wanzen nicht. Stattdessen machen sie bei der Entwicklung vom Embryo zum erwachsenen Tier meist fünf durch Häutungen getrennte Stadien durch. In deren Verlauf werden die Nymphen dem ausgewachsenen Tier schrittweise immer ähnlicher. Nach der letzten Häutung sind sie geschlechtsreif und können sich wieder paaren.