Wanzen sind Überlebenskünstler: Als einzige Insekten überhaupt leben sie auf hoher See und eroberten die meisten aller Lebensräume. Die meisten von ihnen sind für uns harmlos und schaden in keinster Weise. Nur eine kleine Minderheit sind Schädlinge Andere dagegen haben großes, unentdecktes Potenzial als Nützlinge und Helfer.
Bekannt als Schädlinge
Einige wenige Wanzenarten können bei Massenauftreten Schäden an Kulturpflanzen in der Landwirtschaft anrichten. Zu den bekanntesten gehören der Spitzling (Aelia acuminata), der sich an Getreide erfreut, die Beerenwanze (Dolycoris baccarum), die sich von Beerenobst ernährt oder die Kohlwanze (Eurydema oleraceum), die für Kohlgewächse eine Gefahr darstellt.
Neben den Schäden, die im Garten und der Landwirtschaft entstehen, bereiten auch blutsaugende Wanzen wie die Raubwanzen (Reduviidae) Probleme: Diese vor allem in Lateinamerika verbreiteten Insekten können gefährliche Krankheitserreger auf den Menschen übertragen. Günter Schaub von der Ruhr-Universität Bochum fand heraus, dass einige der etwa 200 verschiedenen Arten Vektoren für Infektionskrankheiten sein können, darunter auch die von einzelligen Parasiten verursachte Chagas-Krankheit.: „Die Chagas-Krankheit ist eine der sechs großen Tropenkrankheiten“, warnt Schaub.
Ein Helfer für die Medizin?
Obwohl die Raubwanzen als Krankheitsüberträger verrufen sind, können sie für den Menschen sogar von Nutzen sein. Wissenschaftler setzen die Wanzen beispielsweise als „lebende Spritzen“ ein, weil der Stechrüssel der Raubwanze 30 Mal feiner ist als die feinste, medizinische Kanüle. So können damit auch winzige Kapillargefäße von Kleintieren wie Kaninchen, Hamstern oder Vögeln getroffen werden – für eine herkömmlichen Spritze kaum erreichbar. Bei 40 Wildtierarten wie Erdmännchen und Kängurus nahmen Biologen mithilfe der Wanzen bereits erfolgreich Blut ab.
Für die medizinische Forschung sind Wanzen aber auch aus anderen Gründen interessant: Da Wanzen kein Immunsystem mit Antikörpern – wie zum Beispiel Säugetiere – haben, haben Forscher untersucht, wie sich die Wanzen stattdessen vor Bakterien und anderen Erregern schützen. Sie stellten fest, dass die Insekten effektive antimikrobielle Substanzen produzieren. Diese Abwehrstoffe könnten möglicherweise auch den Menschen vor Infektionen schützen und resistente Bakterien unschädlich machen. Der Bedarf ist groß, denn immer mehr Krankheiten lassen sich nicht mehr mit gängigen Antibiotika kurieren.
Eine nachhaltige Delikatesse
Aus einem ganz anderen Grund gewürdigt werden Wanzen dagegen in Mexiko. Beim Jumil Festival ziehen die Einheimischen in die Berge, um Jagd auf Kieferwanzen zu machen. Die geernteten Wanzen werden leicht gesalzen in Tortillas eingerollt und dann roh verspeist.
Wanzen und andere Insekten haben als Lebensmittel einige Vorteile: In ihnen stecken Proteine, Fettsäuren, Ballaststoffe und Mineralien. Außerdem benötigen sie wenig Platz, können fast überall leben und pflanzen sich schnell fort. So lassen sich in kurzer Zeit sehr viele von ihnen auf kleinem Raum züchten. Insekten benötigen im Verhältnis auch weniger Futter als andere Fleischlieferanten, wie beispielsweise Rinder. Für ein Kilogramm Insektenfleisch müssen nur zwei Kilogramm Pflanzen verfüttert werden – im Gegensatz zu neun Kilogramm Futter beim Rindfleisch.
Insekten könnten daher in Zukunft für die Ernährung der Menschen immer wichtiger werden, besonders in armen Regionen. Und Auswahl gibt es reichlich: Mehr als 1.900 Insektenarten gelten heute als essbar, die Spanne reicht dabei von Wanzen über Schmetterlinge, Termiten und Grashüpfern bis hin zu Zikaden und Schaben. Statt sie als Schädlinge mit Insektiziden zu vernichten, könnten sie schon bald als Delikatesse auf dem Mittagstisch landen.