Astronomie

Schwarzes Loch: Ereignishorizont „wackelt“

Event Horizon Teleskop zeigt zeitliche Veränderungen am Schwarzen Loch M87*

M87*
Mithilfe von Archivaufnahmen des Event Horizon Teleskops haben Astronomen die Veränderungen am Schwarzen Loch M87* rekonstruiert. © M. Wielgus/ EHT-Kollaboration

Spannende Beobachtung:  M87* war der Star auf dem ersten Foto eines Schwarzen Lochs. Jetzt gibt es Neues. Denn der helle Ring um das supermassereiche Schwarze Loch verändert sich – er wackelt, wie Archivaufnahmen des Event Horizon Telescope enthüllen. Damit werden erstmals die turbulenten Ströme der Materie am Ereignishorizont sichtbar. Ihre Dynamik erlaubt nun neue Tests theoretischer Modelle.

Schwarzes Loch M87*
Dies ist die erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs. Man sieht den dunklen Schatten des Schwerkraftgiganten, umgeben vom hellen Lichtring des Ereignishorizonts. © Event Horizon Telescope Collaboration

Im April 2019 sorgte das erste Foto eines Schwarzen Lochs für weltweites Aufsehen. Das Bild zeigt den dunklen Schatten des supermassereichen Schwarzen Lochs M87*, umgeben von einem hellen, leicht asymmetrischen Ring. Dieser wird von heißen Gasen erzeugt, die um den Ereignishorizont rasen. Nähere Analysen ergaben, dass sich in diesem Ring auch eine schon von Albert Einstein vorhergesagte Struktur verbirgt – ein Photonenring.

„Zeitreise“ in die Vergangenheit

Jetzt haben die Astronomen vom Event Horizon Telescope (EHT) nachgelegt. Denn sie wollten wissen, ob sich Form und Struktur des Schwarzen Lochs und seines hellen Rings im Laufe der Zeit verändert hat. Für ihr erstes Foto hatten sie M87* nur wenige Tage lang mit den zusammengekoppelten Radioteleskopen ihres Verbunds ins Visier genommen. „Das ist viel zu kurz, um Veränderungen zu sehen“, sagt Erstautor Maciek Wielgus vom Harvard und Smithsonian Center for Astrophysics.

Deshalb werteten die Forscher Daten aus, die bereits von 2009 bis 2013 von den Teleskopen des EHT-Verbunds zu M87* gesammelt worden waren. Damals bestand der Verbund nur aus drei Radioteleskopen, erst 2013 kam ein viertes hinzu. Weil die Auflösung dieser Teleskope noch nicht für echte Fotos reichte, nutzten die Astronomen geometrisch-basierte statistische Modellverfahren, um das Erscheinungsbild von M87* zu rekonstruieren und nach zeitlichen Veränderungen zu suchen.

Einstein behält Recht, aber der Ring wackelt

Das Ergebnis: Schon vor gut zehn Jahren sah das Schwarze Loch ähnlich aus. Form und Größe des hellen Rings waren gleich und auch die Größe des dunklen Schattens entsprach den Vorhersagen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. „Das ist eine wichtige Bestätigung für die theoretischen Erwartungen“, sagt Koautor Kazu Akiyama vom MIT Haystack Observatory.

Das Überraschende jedoch: Der helle Ring verändert im Laufe der Zeit ganz leicht seine Position – er wackelt. Die hellste Zone bewegt sich zudem um den Schatten herum. Die Astronomen führen dies auf das heiße Plasma zurück, das um den Ereignishorizont kreist und durch die dortigen Magnetfelder Turbulenzen bildet. „Weil dieser Einstrom der Materie turbulent ist, scheint der helle Ring mit der Zeit zu wackeln“, erklärt Wielgus.

Test für theoretische Modelle

Damit eröffnen diese Daten erstmals den Blick auf das Verhalten von Materie so dicht am Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs – und bieten die Chance, bestehende Theorien und Modelle zu überprüfen. „Ein Teil dieser Materie ist nah genug am Schwarzen Loch, um die Wirkung starker Gravitationskräfte beobachten zu können“, sagt Koautor Richard Anantua vom Center for Astrophysics. „In einigen Fällen können wir darüber auch die Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie genauer testen.“

Doch auch aktuelle Modelle dazu, wie sich Materie im nahen Umfeld eines Schwarzen Lochs verhält, lassen sich damit überprüfen. „Wir sehen hier beispielsweise eine Menge Variation – und nicht alle theoretischen Modelle der Akkretion erlauben so viel Gewackel“, sagt Wielgus. „Das erlaubt es uns, einige dieser Modelle auf Basis unserer Beobachtungen zu entkräften.

Animation des „wackelnden“ Rings von M87* .© EHT

M87* bleibt weiter im Visier

Für die Astronomen der EHT-Kollaboration fängt diese Arbeit gerade erst an: „In den kommenden Jahren möchten wir untersuchen, wie sich die Struktur von M 87* mit der Zeit verändert. Daher analysieren wir gerade die EHT-Daten aus dem Jahr 2018 und bereiten die neuen Beobachtungen für 2021 vor“, sagt Anton Zensus vom MPI für Radioastronomie. „Dann werden drei weitere Teleskope teilnehmen. Unser virtuelles weltumspannendes Teleskop wird also größer und empfindlicher und die bildgebenden Verfahren werden damit genauer.“ (Astrophysical Journal, 2020; doi: 10.3847/1538-4357/abac0d)

Quelle: Event Horizon Telescope, Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Center for Astrophysics Harvard & Smithsonian

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