1689 entdeckten Arbeiter bei Kanalgrabungen im Süden des Vesuvs steinerne Inschriftenreste, die auf eine antike Siedlung hindeuteten. Das Gebiet war zu dieser Zeit bei seinen Anwohnern als „la civita“ bekannt, als (verschüttete) Stadt. Systematische Grabungen begannen 1748, aber erst 1763 identifizierte man den Ort namentlich als Pompeji.
Jähes Ende einer Kleinstadt
Der auf das Jahr 79 n. Chr. datierte Vesuvausbruch hat der römischen Kleinstadt ein solch jähes Ende bereitet, dass das Leben dort wie in einer Zeitkapsel gefangen zu sein scheint: eine Momentaufnahme antiken Lebens. Doch bei genauerer Betrachtung trügt dieser Schein. Die Naturkatastrophe ist uns vor allem durch den Bericht des angehenden Politikers und Redners Plinius des Jüngeren eindrücklich bekannt.
Sein Onkel, Plinius der Ältere, war als Flottenkommandant im Golf von Neapel stationiert. Er kam dort bei einem Rettungsversuch per Schiff ums Leben, während sein Neffe bei Misenum überlebte und das Naturschauspiel in zwei Briefen (Die Vesuv-Briefe VI 16 und VI 20) dokumentierte. Zahlreiche Menschen flohen vor der sich über Tage ankündigenden Katastrophe, während andere in ihren Häusern ausharrten, wohl in der Hoffnung, dass sie dort überleben würden – von normalem Alltag, der durch die Ascheschichten konserviert wurde, kann also keine Rede sein.
Das wird auch durch die Verteilung von Funden belegt, die ich in pompejanischen Wohnhäusern untersucht habe: Wertgegenstände und Münzen in Lederbeuteln oder Holzkästchen wurden zusammengerafft und sind zusammen mit Skeletten in den Wohnhäusern zu finden; die eigentlichen Alltagsgegenstände waren dagegen zumeist in Schränken und Regalen verstaut, also nicht in Benutzung, als „plötzlich“ der Vesuv ausbrach.
Fruchtbar – aber gefährlich
Noch heute spricht man in der vulkanologischen Forschung bei besonders heftigen Eruptionen von „plinianischen Eruptionen“, denen eine Eruptionssäule vorausgeht, wie auch Plinius sie beschrieben hatte. Die Landschaft Kampanien, in der der Vesuv liegt, war seit jeher von tektonischen Bewegungen und intensivem Vulkanismus geprägt. Dennoch siedelten Menschen spätestens seit
der frühen Bronzezeit (wohl ab dem 2. Jahrtausend v. Chr.) immer wieder dort, was vor allem neuere geoarchäologische und archäobotanische Forschungen zeigen, beispielsweise ein Projekt um Florian Seiler an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
Der in dieser Landschaft gelegene Golf von Neapel, jene Einbuchtung zwischen dem Cap Miseno im Norden und Sorrent im Süden, hatte siedlungshistorisch besondere Vorzüge: Die östlich gelegene Bergkette des Apennin bot Materialressourcen, einen natürlichen Schutz gegen Feinde sowie eine Kaltluftbarriere, hinter der zum Meer hin ein gemäßigtes Klima herrschte. Ascheablagerungen hatten zudem eine fruchtbare Ebene für agrarische Nutzung gebildet, und der wasserreiche – und damit schiff bare – Fluss Sarno war Lebensgrundlage und Transportweg.
Trotz der Gefahr vulkanischer Ausbrüche nicht nur des Vesuvs war dieses Territorium deshalb dicht besiedelt; die Geschichte der römischen Städte Herculaneum und Pompeji reicht bis ins 4. beziehungsweise 6. Jahrhundert v. Chr. zurück, in eine Phase, in der das Gebiet von griechischen Kolonisten sowie lokalen Bevölkerungsgruppen wie den Oskern und Samniten bewohnt war.
Zeitkapsel antiken Lebens
Die Besonderheit der Vesuvstädte Pompeji und Herculaneum sowie der römischen Villen ihrer Umgebung liegt in der Masse und Art ihrer Funde: In jeweils unterschiedlicher Form hat sich die gesamte Ausstattung von Gebäuden erhalten, angefangen von Fußboden- und Wanddekorationen über organische Funde, zum Beispiel hölzernes Mobiliar, Lebensmittel wie Brote, Nüsse und Getreide, bis hin zu menschlichen Überresten der in Asche und Lava begrabenen Einwohner, die nicht geflohen waren.
Nur in solchen Ausnahmefällen erlauben die klimatischen Bedingungen die Konservierung derartiger Materialien und Funde der griechisch-römischen Antike im Mittelmeerraum. In Herculaneum sind Obergeschosse von Wohnhäusern stehen geblieben, in Pompeji haben sich mit Farbe angebrachte Wahlwerbungen (programmata) und Spieleankündigungen (edicta muneris) sowie Tausende in die Wände geritzte Graffiti erhalten.
Autorin: Polly Lohmann, Universität Heidelberg/ Ruperto Carola