Anders als gedacht: Der Erdbahnkreuzer Bennu ähnelt eher einer Praline als einem klassischen Gesteinsasteroiden. Denn in seinem Inneren gibt es große Hohlräume und Zonen geringer Dichte, wie Daten der NASA-Raumsonde OSIRIS-REx enthüllen. Das könnte auch das künftige Verhalten des Asteroiden beeinflussen, der in rund 150 Jahren der Erde bedrohlich nahekommen soll. In gut zehn Tagen wird die Sonde auf Bennu erstmals eine Probe nehmen und sie zur Erde zurückbringen.
Dass gerade der rund 500 Meter große Asteroid Bennu als Ziel für die Probenmission OSIRIS-REx ausgewählt wurde, ist kein Zufall. Denn die Bahn dieses Brockens führt ihn alle paar Jahre nahe an der Erde vorbei. Dabei besteht ein Risiko von 0,07 Prozent, dass Bennu zwischen 2100 und 2200 die Erde trifft. Deshalb ist es wichtig, die Eigenschaften des Asteroiden möglichst genau zu kennen – sie beeinflussen seine künftige Flugbahn.
„Indem wir Bennu besuchen und kartieren, können wir seinen Orbit sehr präzise bestimmen und die physikalischen Kräfte ermitteln, die ihn beeinflussen“, erklärt Daniel Scheeres von der University of Colorado in Boulder. „Das macht es leichter vorherzusagen, wo der Asteroid in den nächsten paar hundert Jahren sein wird – und ob wir schon mal anfangen sollten, ein Abschlepp-Raumschiff zu bauen.“
Seit 2018 umkreist die Sonde OSIRIS-Rex den rautenförmigen Erdbahnkreuzer und sammelt erste Daten. Jetzt haben Wissenschaftler die Ergebnisse in gleich sechs Fachartikeln vorgestellt.
Geröll-„Murmeln“ als Messhelfer
Die erste Überraschung: Bennus Innenleben sieht anders aus als erwartet. Wegen seiner insgesamt eher geringen Dichte hatten Astronomen schon vorher vermutet, dass er zur Klasse der „Geröllhaufen“-Asteroiden gehört – Objekten, die aus eher lose zusammengeballtem Gestein bestehen. Um die Verteilung der Massen in seinem Inneren genauer zu kartieren, werteten Forscher um Scheeres aus, wie das Schwerefeld des Asteroiden die Bahn von OSIRIS-REx beeinflusst.
Zusätzlich kam ihnen ein Glücksfall zu Hilfe: Immer wieder lösten sich kleinere Gesteinsbrocken von der Oberfläche des Asteroiden, umkreisten ihn eine Zeitlang und fielen dann wieder zurück. „Als wenn jemand auf der Oberfläche diese Murmeln eigens hochwarf, damit wir ihre Bahn verfolgen konnten“, sagt Scheeres. „Unsere Kollegen konnten daraus auf das Schwerefeld von Bennu schließen.“
Die subtilen räumlichen Variationen im Schwerefeld wiederum erlaubten Rückschlüsse darauf, wo im Innern des Asteroiden dichtere und damit massereichere oder aber weniger kompakte Zonen liegen.
Große Hohlräume im Zentrum
Das verblüffende Ergebnis: Im Zentrum des Asteroiden und entlang seines Äquators häufen sich Zonen mit auffallend geringer Dichte – möglicherweise handelt es sich sogar um Hohlräume. „Es scheint, als wenn es im Zentrum einen Hohlraum gibt, in den mehrere Footballfelder hineinpassen würden“, so Scheeres. Insgesamt ähnelt Bennu damit eher einer Praline mit porösem Kern und harter Schale als einem klassischen Geröllhaufen.
Die Forscher vermuten, dass die schnelle Rotation des Asteroiden sein Inneres im Laufe der Zeit so umverteilt hat, dass sich dichteres Material weiter außen sammelte. Setzt sich dieser Trend fort, könnte Bennu irgendwann durch seine eigene Rotation ganz auseinanderreißen. „In vielleicht einer Million Jahren oder sogar weniger könnte das ganze Objekt auseinanderfliegen“, sagt Scheeres.
Gute Aussichten für die Probennahme am 20. Oktober
Eine positive Nachricht betrifft die für den 20. Oktober 2020 geplante Probennahme. Dabei wird sich OSIRIS-REx der Oberfläche von Bennu bis auf wenige Meter annähern und mit einem Roboterarm Proben von der Oberfläche nehmen. Diese Proben werden dann zur Analyse zurück zur Erde gebracht. Entsprechend wichtig ist die gute Auswahl der Probenstelle – und das offenbar der Fall, wie die Messdaten der Sonde nun belegen.
Demnach liegt die Probenstelle inmitten eines Gebiets, indem ungewöhnlich ursprüngliches, wenig verwittertes Gestein zutage tritt. Während ein Großteil von Bennus Oberfläche durch den Einfluss kosmischer Strahlung stark verwittert ist und daher in Spektralmessungen bläulich erscheint, ist dies für die Probenregion anders. Ihr Gestein ist spektral gesehen rötlicher und dies deutet auf eine ursprünglichere, erst kurze Zeit dem Weltraum ausgesetzte Zusammensetzung hin.
„Sowohl die primäre wie die sekundäre Probenstelle liegen in kleinen, spektral rötlichen Kratern, die weniger verwittert sind als der Rest von Bennus Oberfläche“, erklärt Kevin Walsh von Southwest Research Institute. Damit könnte die Probennahme den Forschern die Chance bieten, noch sehr urtümliches Material zu gewinnen, das lange geschützt im Inneren des Asteroiden geborgen war.
Organisches Material und Wasser
Positiv auch: Das Gestein an der Probenstelle enthält sowohl gebundenes Wasser als auch Kohlenstoffverbindungen, wie die Messdaten der Raumsonde bestätigen. Demnach besitzen viele der vornehmlich dunklen Brocken an der Probenstelle helle Adern aus Karbonatgestein. Diese Minerale gelten als Anzeichen dafür, dass sich das Gestein in Gegenwart von Wasser gebildet hat. Damit könnten diese Proben auch neue Einblicke darin liefern, welche Rolle Asteroiden wie Bennu in der Frühzeit unseres Planeten spielten – als Lieferanten von organischen Molekülen und Wasser.
„Die Häufigkeit von kohlenstoffhaltigem Material ist ein bedeutender wissenschaftlicher Triumpf für die Mission“, sagt Dante Lauretta von der University of Arizona in Tucson, einer der wissenschaftlichen Leiter der OSIRIS-REx-Mission. „Wir sind nun optimistisch, dass die Probe, die wir sammeln und zurückbringen wollen, auch organisches Material enthält.“ (Science, 2020; doi: 10.1126/science.abc3557, doi: 10.1126/science.abc3660, doi: 10.1126/science.abc3522; Science Advances, 2020; doi: 10.1126/sciadv.abd3649, doi: 10.1126/sciadv.abc3699, doi: 10.1126/sciadv.abc3350)
Quelle: NASA, University of Colorado at Boulder, Southwest Research Institute