Astronomie

Unser Schwarzes Loch ist langsam

Astronomen grenzen Eigendrehung von Sagittarius A* mithilfe von Sternenbahnen ein

S-Sterne
Die Bahnen dieser sogenannten S-Sterne verraten, wie schnell das Schwarze Loch im Milchstraßenzentrum rotiert. © ESO/L. Calcada, spaceengine.org

Langsamer Riese: Astronomen haben erste Hinweise darauf gewonnen, wie schnell sich das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße dreht. Demnach kann Sagittarius A* nur relativ langsam rotieren – mit höchstens zehn Prozent der maximal möglichen Geschwindigkeit. Wäre es mehr, müsste sich dies an den Bahnen von Sternen in der Nähe des Schwerkraftgiganten zeigen. Das wirft auch neues Licht auf die Frage, ob unser Schwarzes Loch einen Jet besitzt.

Alle Schwarzen Löcher lassen sich durch zwei miteinander verknüpfte Merkmale beschreiben: ihre Masse und ihren Drehimpuls. An der Masse lässt sich erkennen, ob ein solcher Schwerkraftgigant aus dem Kollaps eines Sterns entstanden ist oder aber zu den supermassereichen Riesen im Herzen von Galaxien gehört. Die Rotation des Schwarzen Lochs spielt dagegen eine wichtige Rolle unter anderem für die Galaxienbildung, die Form der Materieströme in seinem Umfeld und auch für den Ereignishorizont.

Wie schnell rotiert Sagittarius A*?

Das Problem jedoch: Während sich die Masse eines Schwarzen Lochs meist recht gut bestimmen lässt, ist dies bei der Eigendrehung schwieriger. Bei aktiven, starke Strahlung aussendenden Galaxienkernen lässt sich dies an subtilen Veränderungen im Spektrum ablesen. Bei inaktiven Schwarzen Löchern wie Sagittarius A* im Herzen der Milchstraße geht dies jedoch nicht – sie sind unsichtbar. Als Folge ist bislang unklar, ob und wie schnell Sagittarius A* rotiert.

Jetzt haben zwei US-Astronomen eine neue Möglichkeit gefunden, die Rotation unseres zentralen Schwarzen Lochs zumindest einzugrenzen – mithilfe der sogenannten S-Sterne im Milchstraßenzentrum. Die Bahnen dieser Sterne sind stark von der Schwerkraft des Schwarzen Lochs beeinflusst, deshalb verraten sie sowohl seine Existenz als auch Details seiner Gravitationswirkung.

Bahnen der S-Sterne als Messhilfe

Wie Giacomo Fragione von der Northwestern University und Avi Loeb von der Harvard University belegen, liefern die Umlaufbahnen der S-Sterne aber auch Informationen über die Eigendrehung von Sagittarius A*. Denn wie die Forscher erklären, verändert ein schnell rotierendes Loch die Neigung der Sternenbahnen in seiner Umgebung. Im Laufe der Zeit gleichen sich die stellaren Orbits dadurch der „Äquatorebene“ des Schwarzen Loches an.

Ob das auch bei den S-Sternen im Zentrum der Milchstraße der Fall ist, haben Fragione und Loeb mithilfe von Beobachtungsdaten und einem Modell überprüft. Das Ergebnis: Die S-Sterne folgen zwei jeweils um 45 Grad gegen die galaktische Ebene gekippten Bahnebenen – und diese sind schon seit langer Zeit stabil. „Die meisten dieser Sterne sind in der gleiche Ebene entstanden, in der sie auch heute noch kreisen“, so die Astronomen.

Maximal zehn Prozent des Möglichen

Das bedeutet, dass das Schwarze Loch im Milchstraßenzentrum keine schnelle Rotation haben kann. „Der Spin von Sagittarius A* muss weniger als zehn Prozent des maximal möglichen betragen – einer Rotation seines Außenrands mit Lichtgeschwindigkeit“, berichtet Loeb. Damit gehört dieser Schwerkraftgigant eher zu den langsamen Vertretern seiner Zunft. Denn in anderen Galaxien haben Astronomen schon supermassereiche Löcher entdeckt, die mit mehr als 84 Prozent des maximal möglichen Tempos rotieren.

Die neuen Erkenntnisse erlauben Rückschlüsse auf die Entwicklung und das Verhalten von Sagittarius A*. Denn die Rotation beeinflusst unter anderem, ob ein Schwarzes Loch einen Jet ausbildet – einen gerichteten Strahl aus beschleunigten Teilchen und energiereicher Strahlung. „Gängiger Annahme nach werden Jets durch rotierende Schwarze Löcher gebildet“, so die Forscher.

Kein Jet am Schwarzen Loch?

Bisher war jedoch strittig, ob Sagittarius A* einen solchen Jet besitzt oder nicht. Zwar liefern Beobachtungsdaten von Röntgen– und Radioteleskopen mögliche Hinweise auf einen schwachen Teilchenstrom. Eindeutige Nachweise fehlen jedoch bisher. Die langsame Rotation des Schwarzen Lochs spricht nun eher dagegen, dass vom Herzen der Milchstraße ein größerer Jet ausgeht, wie Loeb und Fragioni erklären.

Ob das stimmt, könnte bald die Daten und Aufnahmen des Event Horizon Telescope verraten. Denn das erdumspannende Netzwerk von Radioteleskopen will nach seinem ersten Foto des Schwarzen Lochs in einer anderen Galaxie nun auch von Sagittarius A* ein Foto erstellen. Auf diesem könnte ein Jet, so er denn vorhanden ist, zu erkennen sein. (Astrophysical Journal Letters, 2020; doi: 10.3847/2041-8213/abb9b4)

Quelle: Center for Astrophysics | Harvard & Smithsonian

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