Heimatloser Wanderer: Astronomen haben den kleinsten bisher bekannten Einzelgänger-Planeten entdeckt. Der nur gut marsgroße Exoplanet wandert offenbar ohne Stern durch die Milchstraße – wahrscheinlich wurde er einst aus seinem Heimatsystem ausgeschleudert. Aufgespürt haben die Forscher den heimatlosen Planeten, weil er direkt vor einem Stern vorbeizog. Seine Schwerkraft verursachte dabei einen Linseneffekt, der seine Präsenz und Größe verriet.
Planeten sind normalerweise Teil eines Sternsystems. Doch es kommt vor, dass Planeten durch nahe Sternpassagen oder Schwerkraft-Turbulenzen aus ihrer Bahn geworfen und aus ihrem Heimatsystem ausgeschleudert werden. Als Folge driften sie allein und ohne Mutterstern durchs All. Astronomen schätzen, dass es in der Milchstraße mehrere Milliarden solcher Einzelgänger geben könnte. Bisher wurden aber nur sehr wenige dieser heimatlosen Wanderer entdeckt.
Linseneffekt als Aufspürhilfe
Das Problem: Typischerweise verraten sich Exoplaneten durch ihren Einfluss auf die Bewegung oder das Licht ihres Muttersterns. Wenn dieser aber fehlt, verschmelzen die dunklen Einzelgänger-Planeten mit dem kosmischen Hintergrund – sie sind nahezu unsichtbar. Doch es gibt eine Methode, mit der Astronomen solche Planeten aufspüren können: das sogenannte Microlensing.
Dabei wandert ein Planet so vor einem hellen Hintergrund-Stern vorbei, dass seine Schwerkraft wie eine Linse wirkt. „Seine Gravitation lenkt das Licht der Quelle ab und fokussiert es“, erklärt Erstautor Przemek Mroz von der Universität Warschau. Dadurch scheint der ferne Stern für kurze Zeit heller zu werden. Dafür allerdings müssen Planet, Stern und Beobachter genau auf einer Linie stehen – und das ist selten.
Verdächtiges Aufleuchten
Doch im Falle des jetzt entdeckten Einzelgänger-Planeten passte alles zusammen. Am 18. Juni 2016 registrierte das 1,3-Meter-Teleskop am Las Campanas Observatorium in Chile ein plötzliches Aufleuchten eines normalerweise nicht veränderlichen Sterns. Nähere Analysen der Lichtkurve ergaben, dass diese vorübergehende Helligkeitszunahme nicht auf Strahlenausbrüche oder andere stellare Prozesse zurückgehen konnten.
Stattdessen musste es sich bei OGLE-2016-BLG-1928 um ein Microlensing-Ereignis handeln – und noch dazu ein ganz besonderes: „Als wir das Ereignis detektierten, war uns sofort klar, dass es durch ein extrem kleines Objekt verursacht worden sein musste“, sagt Mroz‘ Kollege Radoslaw Poleski. Denn wie groß und schwer das im Vordergrund vorbeiziehende Linsenobjekt ist, lässt sich an der Dauer und dem Durchmesser des verstärkten Sternenlichts ermitteln.
Der masseärmste je entdeckte Einzelgänger
Bei OGLE-2016-BLG-1928 waren beide Werte ungewöhnlich klein: Der Lichtfleck des Einsteinrings war nur 0,842 Mikrobogensekunden groß und das gesamte Ereignis dauerte nicht länger als 42 Minuten. „Damit ist OGLE-2016-BLG-1928 das kürzeste Microlensing-Ereignis, das je beobachtet wurde“, berichten die Astronomen. Daraus folgern sie, dass auch der Planet, der der vor dem Stern vorbeizog, besonders klein und leicht gewesen sein muss.
Den Berechnungen der Astronomen nach muss es sich bei der „Linse“ um einen Planeten handeln, der kleiner und leichter ist als die Erde. Wahrscheinlich wiegt er kaum mehr als der Mars. „Damit ist dies das masseärmste Objekt, das je mittels Microlensing entdeckt wurde“, konstatieren Mroz und seine Kollegen.
Präsenz eines Muttersterns sehr unwahrscheinlich
Die Messdaten des Microlensing-Ereignisses bestätigen zudem, dass dieser Planet sehr wahrscheinlich ohne Stern durch die Milchstraße wandert. „Wenn das Linsenobjekt einen Stern umkreisen würde, dann müssten wir dessen Präsenz in der Lichtkurve des Ereignisses sehen“, erklärt Poleski. Das war jedoch nicht der Fall. „Wir können daher ausschließen, dass dieser Planet irgendwo im Abstand von bis zu acht astronomischen Einheiten einen Stern besitzt.“
Nach Ansicht der Astronomen macht ihre Entdeckung Hoffnung, künftig noch mehr solcher kleinen Einzelgänger-Planeten zu finden. Denn sie demonstriert, dass sich selbst solche heimatlosen Zwerge mittels Microlensing aufspüren lassen – wenn man lange genug sucht und ein wenig Glück hat. (Astrophysical Journal Letters, 2020; doi: 10.3847/2041-8213/abbfad)
Quelle: Universität Warschau