Biologie

Hummeln ziehen in höhere Lagen

Klimawandel und veränderte Landnutzung verschieben die Verbreitungsgebiete der Bestäuber

Alpenhummel
Die Alpenhummel (Bombus alpinus) gehört zu den Hummelarten, die im Gebirge vorkommen – und die sich nun an den Klimawandel anpassen müssen.© Arnstein Staverløkk/ Norsk institutt for naturforskning, CC-by-sa 3.0

Ab in die Berge: In den letzten 115 Jahren haben sich die Verbreitungsgebiete von Hummeln weiter die Berghänge hinauf verlagert. In den Pyrenäen kommen viele Hummelspezies heute mehr als 100 Meter höher vor als noch im Jahr 1889, wie eine Studie belegt. Ursache dafür sind primär direkte und indirekte Effekte des Klimawandels: Die Erwärmung verschiebt das Vorkommen der Futterpflanzen, aber auch die von den Hummeln bevorzugten Klimazonen.

Vom Land bis in die Tiefsee: Weltweit bekommt die Tierwelt den Klimawandel zu spüren, denn er verändert maßgeblich ihre Lebensräume. Insekten wie etwa die Asiatische Hornisse und am Mittelmeer heimische Wanzen wandern in unsere Breiten ein, Eisbären schmilzt das arktische Eis unter den Füßen weg und Korallen flüchten in kühlere Meeresbereiche der Subtropen. Wie und ob eine Tierart den Klimawandel übersteht, ist längst nicht immer vorhersehbar – wer nicht Schritt halten kann, hat kaum eine Überlebenschance.

Betroffen davon sind auch wichtige Bestäuberinsekten wie Bienen und Hummeln. Sie sind für ihr Überleben sowohl auf verträgliche Temperaturen angewiesen wie auch auf die passenden Futterpflanzen – und auf beides hat der Klimawandel einen Einfluss.

Wie reagieren Hummeln in den Bergen?

Ob und wie sich die Klimaveränderungen bereits auf Hummeln auswirken, haben nun Forscher um Leon Marshall von der Freien Universität Brüssel (ULB) näher erforscht. Dafür untersuchten sie die Verbreitung von Hummelpopulationen und ihren pflanzlichen Nahrungsquellen in den französischen Pyrenäen. Die Gipfel dieses Gebirges an der Grenze zu Spanien erreichen fast 3.500 Meter Höhe.

Für ihre Studie verglichen die Forscher Daten zur vertikalen Verbreitung der Hummeln im Jahr 1889 mit der von 2005 und 2006. Das Team sammelte zudem Exemplare der Insekten und Blütenproben ihrer pflanzlichen Nahrungsquellen. Damit identifizierten sie die jeweiligen Arten und ihre Populationsgröße und verglichen sie mit den Daten aus 1889. Auch die Temperaturen und Vegetation wurden erfasst.

Hummelarten ziehen in höhere Lagen

Das Ergebnis: Die Verbreitungsgebiete der Hummeln haben sich im Laufe der 115 Jahre weiter in die höheren Lagen des Gebirges verschoben. Im Jahr 1889 lagen diese noch in Höhen von 1.000 bis über 2.000 Metern. 2005 waren fast alle Hummelarten weiter hangaufwärts zu beobachten.

„Wir beobachteten eine statistisch klare Gesamtverschiebung von 129 Metern nach oben für alle Hummelarten“, berichten die Wissenschaftler. Davon verlagerten drei Spezies ihr Verbreitungsgebiet besonders stark. Darunter ist unter anderem die Art Bombus wurflenii, die inzwischen etwa 326 Meter höher als ursprünglich vorkommt – auf bis zu 2.200 Meter. Eine Verschiebung in tiefere Höhenlagen fiel hingegen nur bei einer einzigen Hummelart auf.

Den Futterpflanzen gefolgt

Parallel dazu haben sich auch die Pflanzenarten verlagert, die den Hummeln als Nahrung dienen und die von ihnen bestäubt werden. Auch sie rückten höher die Hänge hinauf– und zwar noch stärker als ihre Bestäuber. Im Durchschnitt veränderte sich die Höhenlage der Pflanzen etwa um 229 Meter nach oben, wie die Vergleiche ergaben. Die Acker-Kratzdistel Cirsium arvense wuchs 2005 sogar 518 Meter weiter oben am Gebirgshang als noch 115 Jahre zuvor.

Dabei zeigte sich in vielen Fällen ein Zusammenhang zwischen Hummeln und ihren Futterpflanzen: Hatte sich eine Hummelart auf eine einzige Pflanzenart als Nahrungsquelle spezialisiert, wanderte auch die Insektenpopulation deutlich höher – der Pflanze nach. So folgte die Hummelart Bombus wurflenii ihre präferierten Nahrungsquelle, dem Eisenhut (Aconitum), der sein Vorkommen etwa 400 Meter weit nach oben verlagerte.

Vertrieben von Erwärmung und Landnutzung

Einen Hauptgrund für die Höhenverlagerung der Hummeln – und auch der Pflanzen – sehen Marshall und sein Team in der Klimaerwärmung. Die Temperaturen im französischen Pyrenäengebiet haben sich in den letzten 115 Jahren um rund 2,3 Grad Celsius erhöht – der Lebensraum der Hummelart Bombus soroeensis sogar um 3,4 Grad. Dadurch verlagerten sich auch die höhentypischen Klimazonen und ihre Vegetation weiter die Berghänge hinauf. Viele Hummelarten passen sich dem an, indem sie dieser Verlagerung folgen, wie die Beobachtungen zeigen.

Ein weiterer Grund für die Veränderungen bei den Pyrenäen-Hummeln könnte die Landnutzung sein: Während Ende des 19. Jahrhunderts an vielen Hängen unberührte Bergwiesen dominierten, werden heute vor allem unterhalb von 2.000 Metern Höhe viele Flächen als Almen genutzt. Auf diesen jedoch werden die Pflanzen oft schon von den Kühen abgeweidet, bevor sie Blüten haben. Damit fehlt den Hummeln das Futter.

„Der Verlust von Bergwiesen und Wald in den niedrigeren Hanglagen zugunsten von Almen nimmt den Bestäuberinsekten notwendige Ressourcen“, erklären Marshall und seine Kollegen. „Das kann zu einer Abnahme ihrer Populationen führen.“

Und die Zukunft?

Nach Ansicht der Forscher kann demnach eine Kombination aus Klimaerwärmung und veränderter Landnutzung die bei den Hummeln beobachteten Verschiebungen erklären. Noch habe man dabei keinen Rückgang von Arten oder Populationen festgestellt, betonen sie. Aber bei anhaltendem Klimawandel könne sich dies ändern.

„Wir vermuten, dass Lebensräume in hohen Lagen zunehmend wichtig für die Erhaltung der Artenvielfalt von Hummeln sind, da sie wahrscheinlich zu kühleren Zufluchtsorten werden, die unter verschiedenen Szenarien des Klimawandels in tieferen Lagen möglicherweise nicht mehr existieren.“

In Zukunft befürchten sie, dass die Habitate der Bestäuber und ihrer Nahrungsquellen weiter verloren gehen und die Populationen zunehmend schrumpfen könnten – gerade Hummeln mit einer spezialisierte Ernährung seien sehr verwundbar. (Proceedings of the Royal Society B, 2020, doi: 10.1098/rspb.2020.2201)

Quelle: Universite Libre de Bruxelles

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