Kosmische Hitze: Das Universum ist in den letzten zehn Milliarden Jahren um das Zehnfache heißer geworden, wie Messungen belegen. Demnach haben sich kosmische Gase, Galaxien und andere Materie seither auf rund zwei Millionen Kelvin aufgeheizt. Ursache für diesen Hitzeschub ist das gravitationsbedingte Zusammenballen von Materie zu immer größeren Strukturen. Dabei entsteht Hitze, die den Kosmos aufheizt.
Direkt nach dem Urknall herrschten im jungen Kosmos noch Temperaturen von Milliarden Grad. Erst als sich der Kosmos weiter abkühlte, entstanden die ersten Atomkerne und später Atome, die kosmische Hintergrundstrahlung wurde frei. Seither hat sich das Universum immer weiter ausgedehnt. Gängiger Theorie nach werden sich dadurch in Zukunft die Materiedichte und Temperatur immer mehr verringern – am Ende ist der Kosmos dann leer und kalt.
Schwerkraft beschleunigt Materie
Doch bis es soweit ist, wirkt ein anderer Prozess dieser kosmischen Auskühlung entgegen: die schwerkraftbedingte Zusammenballung von Materie zu Sternen, Galaxien und Galaxienclustern. Durch ihre eigene Gravitationswirkung ziehen sich Gas, Staub und Dunkle Materie an und werden dabei beschleunigt – ähnlich wie ein auf die Erde zurasender Meteorit immer schneller wird. Und ähnlich wie dieser entwickeln auch die kosmischen Strukturen bei diesem Prozess Wärme.
„Im Laufe der kosmischen Entwicklung zieht die Gravitation Dunkle Materie und Gas zusammen und bildet so Galaxien und Galaxienhaufen“, erklärt Erstautor Yi-Kuan Chiang von der Ohio State University. „Dieser Sog ist so stark, dass mehr und mehr Gas aufgeheizt wird.“ Diesen wärmenden Nebeneffekt der Strukturbildung im Kosmos sagte schon James Peebles voraus, der Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2019.
Subtile Signale in der Hintergrundstrahlung
Wie stark dieser gravitationsbedingte Materiekollaps den Kosmos aufheizt, haben nun Chiang und seine Kollegen ermittelt. Dafür nutzten sie die Tatsache, dass die „heiße“ Materie einen Teil ihrer Energie auch an die Photonen der kosmischen Hintergrundstrahlung abgibt. Dadurch hinterlassen Gase, Galaxien und Galaxienhaufen subtile Signaturen im Mikrowellenhintergrund. Dieser sogenannte Sunjajew-Seldowitsch-Effekt ist beispielsweise an den Messdaten des europäischen Planck-Satelliten ablesbar.
Doch um daraus die thermische Energiedichte des Universums zu ermitteln, benötigen Astrophysiker eine weitere Information: Sie müssen wissen, wie weit die im Vordergrund liegenden Strukturen von uns entfernt sind. Chiang und sein Team nutzten dafür Rotverschiebungsdaten des Planck-Satelliten, aber auch des Infrarotsatelliten IRAS und des Sloan Digital Sky Survey. Dies ermöglichte es ihnen, die Temperatur und thermische Energiedichte für den nahen Kosmos, aber auch bis zu zehn Milliarden Jahre alte Strukturen zu errechnen.
Zehnmal heißer als früher
Das Ergebnis: Das Universum hat heute eine mittlere Temperatur von rund zwei Millionen Kelvin, wie die Messungen im lokalen Kosmos belegen. Das ist rund zehnfach mehr als noch vor rund zehn Milliarden Jahren. Würde man ein Wärmebild erstellen, wäre dies früher primär kühlblau, heute dagegen von roten, heißen Flecken durchsetzt.
Auch die thermische Energiedichte des Universums hat seither um eine Größenordnung zugenommen, wie Chiang und sein Team berichten. Rund 70 Prozent dieser Wärmezunahme erfolgte dabei innerhalb der Rotverschiebung von z=1 – also seit der Zeit, zu der der Kosmos die Hälfte der heutigen Größe hatte.Ein Großteil dieser kosmischen Hitze ist allerdings nicht mit dem Thermometer erfassbar, sondern äußert sich nur im Energiegehalt der Atome und Moleküle und ihrer verstärkten Molekularbewegung.
Theorie bestätigt
Nach Ansicht der Forscher bestätigen ihre Ergebnisse, dass die Entwicklung der großräumigen Materiestrukturen und die gravitationsbedingte Zusammenballung der Materie den Kosmos im Laufe der Zeit aufheizen. „Unsere Messung liefert eine direkte Bestätigung der bahnbrechenden Arbeit von James Peebles, der in seiner Theorie erklärte, wie sich die großräumigen Strukturen im Kosmos bilden“, sagt Chiang.
Seiner Einschätzung nach wird dieser Trend zu mehr Wärme sich noch eine Weile fortsetzen. Solange neue Sterne entstehen und Galaxien wachsen und verschmelzen, bleibt diese „Heizung des Kosmos“ aktiv. (Astrophysical Journal, 2020; doi: 10.3847/1538-4357/abb403)
Quelle: Ohio State University, Johns Hopkins University