Licht ins Dunkel: Forscher haben erstmals eine bisher nur theoretisch vorhergesagte Teilchensorte in Halbleitern nachgewiesen – „dunkle Excitonen“. Sie bestehen aus einem durch Licht angeregten Elektron gekoppelt mit einem „Elektronenloch“ mit abweichendem Impuls. Der experimentelle Nachweis dieser Quasiteilchen enthüllt nun ihre Eigenschaften und auch, dass sie sogar zahlreicher sind als ihre „hellen“ Gegenparts, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.
Schon in den 1960er-Jahren haben Physiker die Existenz von Excitonen vorhergesagt – Quasiteilchen, die in einem Halbleiter entstehen, wenn dieser durch Licht angeregt wird. Dabei wechseln Elektronen in einen höheren Energiezustand und springen ins Leiterband des Materials. An ihrer ursprünglichen Position bleibt ein positiv geladenes Elektronenloch zurück. Dieses koppelt an das „entsprungene“ Elektron und beide zusammen bilden ein Quasiteilchen, das sich durch den Kristall bewegen kann.
Unsichtbare Quasiteilchen
Einen Teil dieser kurzlebigen Excitonen haben Forscher vor einigen Jahren erstmals nachgewiesen. Denn diese „hellen“ Excitonen interagieren mit Licht und lassen sich daher durch spezielle Spektroskopiemethoden aufspüren. Anders dagegen mit den „dunklen Excitonen“: Bei ihnen weichen der Impuls des Elektrons und der des Elektronenlochs voneinander ab, was sie für gängige Nachweismethoden unsichtbar macht.
„Wir wissen, dass sie existieren, aber wir können sie nicht sehen und auch nicht direkt untersuchen“, erklärt Erstautor Julien Madeo vom Okinawa Institut für Wissenschaft und Technologie. „Deshalb wissen wir nicht, wie stark sie die optoelektronischen Eigenschaften solcher Halbleitermaterialien beeinflussen.“ Doch er und sein Team haben nun eine Methode entwickelt, mit der sich auch diese unsichtbaren Quasiteilchen aufspüren lassen.
Elektronen verraten Präsenz der dunklen Excitonen
Für ihr Experiment nutzten die Physiker eine Atomlage des Halbleitermaterials Wolframdiselenid (WSe2) und regten es durch ultraschnelle Laserpulse im sichtbaren und nahinfraroten Bereich an. Dann beschossen die Forscher das Material mit Laserpulsen im extremen UV-Bereich. Diese energiereichen Pulse trennen die Quasiteilchen auf und schleudern ihre Elektronen aus dem Material heraus.
Am Impuls und Energiegehalt dieser ausgeschleuderten Elektronen lässt sich dann ablesen, ob sie aus Excitonen stammen und auch aus welchen. „Es war nicht klar, wie gut diese Technik für Excitonen funktionieren würde“, berichtet Madeos Kollege Michael Man. Denn diese Quasiteilchen haben eine extrem kurze Lebensdauer, so dass die zeitliche und räumliche Auflösung der für die Messung eingesetzten Photoemissions-Elektronenmikroskopie sehr hoch sein musste.
Nachweis geglückt
Doch das Experiment gelang: „Als wir alle technischen Probleme gelöst hatten und das Instrument anschalteten, tauchten die Excitonen tatsächlich auf unserem Schirm auf – das war wirklich unglaublich“, sagt Man. Anhand des gemessenen Impulses konnten er und seine Kollegen klar die Signaturen der hellen K-Excitonen von denen der dunklen Q-Quasiteilchen mit „verbotenem Impuls“ unterscheiden. Zum ersten Mal wurden damit die dunklen Excitonen direkt nachweisbar.
Interessant auch: Die Messungen enthüllten, dass die dunklen Excitonen im angeregten Halbleiter eine längere Lebensdauer haben als die hellen – und dass helle Exctitonen sich in ihre dunklen Gegenparts umwandeln können. Schon nach kurzer Zeit beginnt die dunkle Variante dieser Quasiteilchen im Halbleiter sogar zu dominieren.
„Wie erwartet entstanden die K-Excitonen sehr schnell“, berichten Madeo und sein Team. „Später sahen wir dann eine deutliche Anreicherung der dunklen Q-Excitonen.“ Deren Menge übertraf die der hellen Excitonen dann um das Doppelte. Gleichzeitig enthüllten die Messungen aber auch, dass sich die dunklen Quasiteilchen unter bestimmten Bedingungen wieder in ihr helles Gegenstück zurückverwandeln können.
Wichtig für die Halbleiterforschung und Optoelektronik
„Die Dominanz der dunklen Excitonen und das Wechselspiel zwischen ihnen und den hellen Excitonen deutet darauf hin, dass diese unsichtbaren Quasiteilchen die Eigenschaften zweidimensionaler Halbleiter sogar mehr beeinflusst als erwartet“, sagt Madeo. Diese Erkenntnis könnte weitreichende Bedeutung für den Einsatz und die Entwicklung solcher Halbleitermaterialien haben – beispielsweise in der Quantenkommunikation oder anderen Bereiche der Optoelektronik.
„Diese Technik ist ein echter Durchbruch“, sagt Madeos Kollege Keshav Dani. „Sie erlaubt uns nicht nur die erste Beobachtung dunkler Excitonen und ihrer Eigenschaften. Sie eröffnet auch eine neue Ära in der Erforschung von Excitonen und anderer angeregter Teilchen.“ (Science, 2020; doi: 10.1126/science.aba1029)
Quelle: Okinawa Institute of Science and Technology (OIST) , AAAS