Biologie

Wilder Sex beim Schiffsbohrwurm

Biologen filmen erstmals den Kopulationskampf der holzfressenden Bohrmuscheln

Schiffsbohrmuscheln
Schiffsbohrmuscheln sitzen im Holz, nur ihre paarigen Siphone ragen heraus - sie sind auch die Paarungsorgane. © Reuben Shipway/ University of Portsmouth

Kampf um die Kopulation: Beim holzfressenden Schiffsbohrwurm kommt es sehr wohl darauf an, wer den Längsten hat. Denn wenn diese sessile Muschelart kopuliert, kommt es zu einem wilden Kampf um die erfolgreiche Spermienübertragung, wie nun erstmals Video-Aufnahmen enthüllen. Dabei werden die Spermien-Siphone der Nachbarn mit Gewalt und viel Gerangel zur Seite gedrückt. Empfänger-Siphone dagegen herangezogen und befüllt.

Die meisten festsitzenden Meerestiere machen sich die Fortpflanzung leicht: Sie entlassen ihre Eier und Samenzellen ins Wasser und vertrauen darauf, dass es dort zur Befruchtung kommt. Um die Chance dafür zu erhöhen, kommt es unter anderem bei Korallen und manchen Meereswürmern zu einem synchronen Massenlaichen. Auch die meisten Muscheln nutzen die externe Befruchtung als Fortpflanzungsstrategie.

Schiffsbohrwürmer – die Exoten unter den Muscheln

Doch es gibt eine Muschelgruppe, die sowohl in ihrem Äußeren wie bei ihren Sexpraktiken ganz anders ist: die Schiffsbohrwürmer (Teredinidae). Bei diesen holzfressenden Muscheln ist der Körper lang und wurmförmig, die Schale dagegen zu zwei kleinen, aber scharfen Bohrwerkzeugen umfunktioniert. Aus dem von ihnen besiedelten Holz ragen nur zwei lange Siphone heraus – ein Ansaugschlauch für Frischwasser und einer zum Ausstoß von Abfallstoffen.

Exotisch auch: Schiffsbohrwürmer haben kein festgelegtes Geschlecht. Meist sind sie zunächst männlich, bevor sie später zu Weibchen werden. Häufig aber sind die Bohrmuscheln beides zugleich oder können rasch zwischen beiden Rollen wechseln. Bei einigen Arten wie der im Nordpazifik heimischen Bankia setacea kommt hinzu, dass sie zur Fortpflanzung eine Pseudokopulation praktizieren – sie nutzen ihre Siphone als Paarungsorgane.

Gerangel
Mehrere Bohrmuschel-Siphone rangeln um den Zugang zu einem Empfänger-Siphon eines Artgenossen. © Reuben Shipway/ University of Portsmouth

Wildes Begattungs-Gerangel

Wie jedoch der Sex bei diesen Schiffsbohrwürmern konkret abläuft, blieb bislang verborgen – bis jetzt. Denn Reuben Shipway von der University of Portsmouth und seinem Team ist es gelungen, diese exotischen Muscheln erstmals beim Sex zu filmen. „Als wir die Tiere zum ersten Mal bei der Reproduktion im Aquarium beobachteten, haben wir unseren Augen kaum getraut“, erzählt Shipway. „Die Siphone der Tiere rangelten wie wild miteinander – wie in einer Art Sex-Rausch, der Stunden anhielt.“

Die Videos enthüllen, was genau bei dieser wilden Pseudokopulation passiert. Demnach versuchen die Schiffsbohrwürmer mit ihren Ausstoßsiphonen, die Ansaugsiphone ihrer Nachbarn an sich heranzuziehen und mit ihren Spermien zu füllen. Dabei kommt es nicht nur Rangeleien, auch die Rollen scheinen fließend: Manche Bohrmuscheln bekommen die Spermien eines Nachbarn verabreicht, während sie selbst gerade einen Artgenossen begatten.

Kampf um die Siphone

Gleichzeitig aber unternehmen die Schiffsbohrwürmer alles, um Konkurrenten von der Kopulation abzuhalten: „Sie schieben die Ausstoßsiphone ihrer Rivalen weg oder ziehen Einsaugsiphone anderer Muscheln gezielt aus deren Reichweite“, berichten die Forscher. Ist einer dieser Siphone schon mit den Spermien eines Rivalen befüllt, scheuen sie auch nicht dafür zurück, diese zu entfernen und stattdessen ihre eigenen Spermatozoen zu applizieren.

Bei diesen Kopulationskämpfen ist es durchaus von Vorteil, „den Längeren“ zu haben: „Längere Siphons können weiter entfernte Artgenossen begatten und erzielen damit eine höhere Fortpflanzungsrate“, erklären Shipway und sein Team. „Denn größere Bohrwürmer können mit ihrer Pseudokopulation mehr Eier befruchten und das erhöht die Chance, dass Larven mit ihren Genen in der nächsten Generation überleben.“

Erster Beleg für kompetitive Paarung bei Muscheln

Nach Angaben der Biologen ist dies der erste Beleg für solche Kopulationskämpfe bei Schiffsbohrwürmern – und der erste bei Muscheln überhaupt. „Zwar war schon bekannt, dass es Pseudokopulation bei Bohrmuscheln gibt, aber dies ist das erste Mal, dass dieses Verhalten gefilmt und die kompetitive Natur dieser Paarung enthüllt wurde“, sagt Koautor Daniel Distel von der Northeastern University in Boston.

Allerdings bleiben auch einige Fragen ungeklärt. So ist noch offen, unter welchen Bedingungen wildlebende Schiffsbohrwürmer ihre Kopulationskämpfe austragen und welche Besiedlungsdichte des Holzes dafür nötig ist. Auch die Sinnesreize, mit denen die sessilen Muscheln ihre Artgenossen orten und identifizieren, sind noch unbekannt. (Royal Society Biology Letters., 2020; doi: 10.1098/rsbl.2020.0626)

Quelle: University of Portsmouth

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