Steinzeitliche Megaflut: Vor knapp 10.000 Jahren traf ein schwerer Tsunami die Küste Israels, wie eine Studie enthüllt. Die Flutwellen waren bis zu 40 Meter hoch und Wassermassen drangen mehr als 1,5 Kilometer landeinwärts vor – dieser Tsunami ist damit der stärkste je in dieser Region registrierte, wie Archäologen im Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten. Ursache dieser prähistorischen Katastrophe war vermutlich ein Erdbeben, das eine unterseeische Rutschung auslöste.
Das östliche Mittelmeer ist eine tektonisch hoch aktive Region – hier häufen sich Vulkane und seismisch aktive Verwerfungen. Deswegen sind auch Tsunamis keineswegs selten, in den letzten rund 6.000 Jahren hat es im Schnitt alle 160 Jahre eine solche Flutwelle mit lokalen oder regionalen Folgen im Mittelmeer gegeben. Belege dafür liefern Ablagerungen von Meeressand und durcheinandergeworfenen Felsbrocken, die noch hunderte Meter von der Küste entfernt gefunden wurden.
Spurensuche an der Küste Nordisraels
Hinweise auf den bisher schlimmsten Tsunami des östlichen Mittelmeeres könnten nun Gilad Shtienberg von der University of California in San Diego und seine Kollegen gefunden haben. Für ihre Studie hatten sie in der Nähe des alten Siedlungshügels Tel Dor an der Küste Nordisraels mehrere Bohrkerne entnommen. Tel Dor war von der mittleren Bronzezeit vor rund 4.000 Jahren bis in die Zeit der Kreuzritter besiedelt.
„Eigentlich wollten wir mit unserem Projekt das Klima und die Umweltveränderungen der letzten 12.000 Jahre in diesem Gebiet erforschen“, sagt Shtienberg. „Dass wir Belege für einen prähistorische Tsunami finden würden, hätten wir nie zu träumen gewagt.“ Aus ihren ersten Bohrkernanalysen ging hervor, dass die Bucht von Tel Dor nach dem Ende der letzten Eiszeit ein weites, brackig-lehmiges Marschland bildete.
Bis zu 40 Meter hohe Flutwelle
Doch das änderte sich vor knapp 10.000 Jahren abrupt: „Die Marschlandschichten wurden abrupt von einer 20 bis 35 Zentimeter dicken Schicht aus hellgelbem Quarzsand unterbrochen“, berichten die Forscher. Dieser Sand und die in ihm enthaltenen Muschelschalen sprechen dafür, dass damals das Meer bis in diese Gegend vorgedrungen sein muss. Die Probenstellen lagen zu jener Zeit allerdings 1,5 bis 3,5 Kilometer von der Küste entfernt, weil der Meeresspiegel niedriger lag als heute.
„Um Meersand und Muschelschalen so weit landeinwärts zu transportieren, muss die Flutwelle damals mindestens 16 Meter hoch gewesen sein, vielleicht sogar bis zu 40 Meter hoch“, erklären Shtienberg und sein Team. „Ein extremer Wintersturm als Ursache für diese Flut scheidet jedoch aus, weil deren Fluten maximal einige hundert Meter weit landeinwärts reichen und Flutwellen von höchstens ein paar Metern verursachen.“
Schlimmster bekannter Tsunami des östlichen Mittelmeeres
Nach Ansicht der Archäologen kommt daher nur eine Ursache in Frage: ein Tsunami. Diese Flut muss sich vor 9.250 bis 9.900 Jahren ereignet haben und die Küsten im heutigen Norden Israels großflächig überschwemmt haben. Der Tsunami von Tel Dor ist der früheste bisher nachgewiesene Tsunami im östlichen Mittelmeer und gleichzeitig auch der schwerste. „Das Tel Dor-Ereignis muss durch einen weit stärkeren Mechanismus verursacht worden sein als alle bisherigen Ereignisse dieser Art in dieser Region“, so die Forscher.
Der neu entdeckte Mega-Tsunami könnte erklären, warum in den archäologischen Funden dieser Küstenregion eine Lücke von mehreren tausend Jahren klafft: Obwohl man weiß, dass es in dieser Region erste Siedlungen der halbsesshaften Natufien-Kultur gab, schien der flache, fruchtbare Küstenstreifen seltsamerweise unbewohnt. Jetzt wird klar, dass viele Spuren dieser ersten Siedler vermutlich vom Tsunami weggespült wurden.
Erdbeben löste Untersee-Rutschung direkt vor der Küste aus
Doch was löste diese prähistorische Flutkatastrophe aus? Aus früheren Studien ist bereits bekannt, dass es vor knapp 10.000 Jahren ein starkes Erdbeben im unweit der Küste gelegenen Carmel-Gebirge gegeben haben muss. Ursache dafür ist eine Verwerfung, die von der Plattengrenze im Toten Meer abzweigt. Shtienberg und sein Team halten es für wahrscheinlich, dass die Erschütterungen dieses Bebens eine unterseeische Rutschung vor der Küste ausgelöst haben.
„Neben zahlreichen kleineren Rutschungen am Kontinentalschelf Israels gibt es dort auch Spuren zweier sehr große Erdrutsche“, berichten die Wissenschaftler. Eine dieser Rutschungen erstreckt sich über 120 Quadratkilometer und liegt nur 16 Kilometer vor Tel Dor. „Die geringe Entfernung zu unserem Studiengebiet und die geschätzte Tiefe könnten die damalige Höhe der Tsunamiwellen und der Flut erklären“, so Shtienberg und seine Kollegen. (PLOS ONE, 2020; doi: 10.1371/journal.pone.0243619)
Quelle: PLOS