Genetik

„Junk-DNA“ reguliert innere Uhr

Auch nicht-codierende Abschnitte im Erbgut beeinflussen unseren Tag-Nacht-Rhythmus

innere Uhr
Unsere innere Uhr wird nicht nur von Uhrengenen reguliert, sondern auch von den Erbgut-Abschnitten, die keine Gene beeinhalten. © cooperr007/ iStock.com

Innerer Taktgeber: Unser Tag-Nacht-Rhythmus wird nicht nur von Genen bestimmt, sondern auch von der sogenannten „Junk-DNA“ – Abschnitten im Erbgut, die keine Proteine kodieren. Sie erzeugen microRNAs, die wiederum die Uhrengene steuern, wie nun Forschungen zeigen. Damit enthüllen sie eine ganz neue Ebene der Inneren Uhr und könnten helfen, die chronobiologischen Zusammenhänge auch von Krankheiten wie Alzheimer oder Asthma zu verstehen.

Wer schon einmal einen Jetlag erlebt hat, weiß, wie stark unsere innere Uhr unseren Rhythmus prägt: Sie bestimmt nicht nur, wann wir uns müde fühlen, sondern steuert auch die täglichen Zyklen von Stoffwechsel, Hormonen und Immunsystem. Auf molekularer Ebene sind dafür bestimmte Gene verantwortlich, deren Aktivität sich im Tagesverlauf verändert, unter anderem in Abhängigkeit vom Tageslicht. Bekannt war bereits, dass spezifische Proteine die Aktivität der jeweiligen Gene modulieren.

„Müll“ mit Funktion

Eine Studie von Forschern um Lili Zhou von der University of Southern California zeigt nun, dass auch nicht-codierende Abschnitte unseres Erbguts an der Regulation beteiligt sind. Diese Abschnitte wurden früher als „Junk-DNA“, also „Müll-DNA“ bezeichnet, da ihnen lange keine Funktion zugeschrieben wurde.

„Wir wissen, dass die Funktion der Gene für die innere Uhr eine wichtige Rolle bei vielen Krankheiten spielt“, sagt Zhous Kollege Steve Kay. „Bisher waren wir aber blind dafür, dass es noch ein ganz anderes, außergewöhnliches Netzwerk gibt, das ebenfalls für die Regulation des Tag-Nacht-Rhythmus wichtig ist: die verrückte Welt dessen, was wir nicht-codierende microRNA nennen.“

Diese kurzen RNA-Stückchen werden von Abschnitten im Erbgut erzeugt, die keine Gene sind, also keine Proteine codieren. Lange galten diese Bereiche des Erbguts und ihre Produkte daher als nutzlos. Mehr und mehr tritt aber zutage, dass die microRNAs eine wichtige Rolle bei der Genregulation spielen. Schon früher wurde diskutiert, ob sie auch einen Einfluss auf die innere Uhr haben. Welche der vielen microRNAs jedoch daran beteiligt sind, blieb unklar.

MicroRNAs für zirkadianen Rhythmus identifiziert

Um das herauszufinden, haben Zhou und ihre Kollegen spezialisierte Roboter entwickelt, die in einem schnellen, automatisierten Verfahren microRNAs in Zellen einbringen und deren Wirkung erfassen können. Die Zellen wurden genetisch so manipuliert, dass ihr Tag-Nacht-Rhythmus durch periodisches Leuchten sichtbar war.

Fast 1.000 microRNAs testeten die Forscher auf diese Weise. „Das Verfahren ermöglichte uns das erste zellbasierte, genomweite Screening, um systematisch herauszufinden, welche der hunderten microRNAs an der Modulation zirkadianer Rhythmen beteiligt sein könnten“, sagt Zhou. Kay ergänzt: „Zu unserer Überraschung entdeckten wir, dass in diesem Zusammenhang 110 bis 120 microRNAs eine Rolle spielen.“ Einige der microRNAs verlängerten den Zyklus der Zellen, andere verkürzten ihn – und zwar umso stärker, je größer die Dosis war.

Unterschiedliche Wirkung je nach Gewebe

An Mäusen zeigten die Forscher, dass die microRNAs auch einen Einfluss auf das Verhalten haben. Deaktivierten sie ein bestimmtes Cluster von microRNAs, verloren die Tiere in völliger Dunkelheit nach kurzer Zeit ihren Tag-Nacht-Rhythmus, was sich unter anderem daran zeigte, zu welchen Zeiten und wie oft sie im Laufrad liefen. Andere Mäuse hingegen weisen selbst ohne äußere Reize wie Tageslicht spezifische Aktivitätsmuster auf, die von der Tageszeit abhängen.

Zusätzlich untersuchten Zhou und Kollegen Gewebeproben aus der Netzhaut, der Lunge und dem Gehirn der Mäuse mit den deaktivierten microRNA-Clustern. Das Ergebnis: Je nach Gewebe wirken sich die microRNAs offenbar unterschiedlich aus. Teils verschoben sich die Phasen, teils wurden sie länger oder kürzer, teils änderte sich ihre Intensität.

Diese Erkenntnis könnte auch zum Verständnis verschiedener Krankheiten beitragen: „Im Gehirn ist es interessant, die innere Uhr mit Krankheiten wie Alzheimer zu verknüpfen, in der Lunge kann man nach einer Verbindung zu Asthma suchen“, sagt Kay. „Der nächste Schritt für uns ist, solche Krankheiten in Tieren und Zellkulturen nachzustellen und zu sehen, welche Funktion die microRNAs bei den Krankheiten haben.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2021; doi: 10.1073/pnas.2020454118)

Quelle: Keck School of Medicine of USC

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