Geowissen

Die Erde wird schneller

Kürzere Tageslängen könnten erstmals eine negative Schaltsekunde nötig machen

Erdrotation
Die Erde dreht sich momentan schneller als zuvor, dadurch werden auch die Tage kürzer. © emarto/ iStock.com

Beschleunigte Rotation: Die Erde dreht sich in den letzten Jahren zunehmend schneller. Im Jahr 2020 wurde dadurch die zuvor kürzeste je gemessene Tageslänge 28 Mal unterboten, wie Messungen belegen. Zwar verringert sich die Tageslänge nur um gut eine Millisekunde, im Jahr 2021 könnte sich dieser Trend aber noch verstärken. Um die schnellere Erdrotation auszugleichen, müssten dann bald negative Schaltsekunden am Jahresende eingeführt werden.

Unsere Erde benötigt rund 24 Stunden für eine Umdrehung – 86.400 Sekunden. Ihre Rotation bestimmt damit unsere Tageslänge. Doch diese ist nicht immer exakt gleich. Die Gezeitenkräfte zwischen Erde und Mond, Bewegungen im Erdkern, aber auch kurzlebige Einflüsse wie Erdbeben, die Eisschmelze oder Wetterlagen können die Tageslänge verkürzen oder verlängern. Seit der Zeit der Dinosaurier sind unsere Tage dadurch sogar um 30 Minuten länger geworden.

Dieser Trend zur Verlangsamung der Erdrotation hielt bis ins Jahr 2016 an, damals gab es zum letzten Mal eine Schaltsekunde, durch die das „Nachgehen“ der Erde gegenüber unserer Zeitmessung ausgeglichen wurde.

19. Juli 2020 war der kürzeste je gemessene Tag

Das Überraschende jedoch: Seitdem nimmt die Rotation unseres Planeten wieder Fahrt auf, wie nun Messungen belegen. Astronomen peilen dafür Fixpunkte am Himmel an, darunter vor allem Quasare. An ihnen können sie ermitteln, wie lange die Erde für eine Umdrehung braucht – dies ergibt die astronomische Tageslänge. Diese Zeit wird dann mit den Werten der Atomuhren verglichen, die den Takt für unsere Weltzeit vorgeben.

Diese Messungen haben nun ergeben, dass unser Planet es im Jahr 2020 besonders eilig hatte. Gleich 28 Tage unterboten im letzten Jahr die bisher kürzeste je gemessene Tageslänge. Beim alten Rekordwert vom 5. Juli 2005 war der Tag 1,0516 Millisekunden kürzer als der Standardwert von 86.400 Sekunden. Am 19. Juli 2020 aber fehlten dem Tag sogar 1,46 Millisekunden zu diesem Standard – und auch 27 weitere Tage waren deutlich zu kurz, wie Forscher des International Earth Rotation and Reference Systems Service (IERS) ermittelten.

2021 könnte kürzestes Jahr werden

Und nicht nur das: Die Zeithüter des IERS gehen davon aus, dass die Erde dieses Jahr sogar noch schneller werden könnte. Ihre Schätzungen zufolge wird der durchschnittliche Tag des Jahres 2021 rund 0,05 Millisekunden kürzer sein als der Richtwert von 86.400 Sekunden. Dadurch könnte die „Erdzeit“ im Jahresverlauf rund 19 Millisekunden vorgehen. Das Jahr 2021 wäre damit das kürzeste seit Jahrzehnten. Es wäre das erste Mal seit dem Jahr 1937, dass der Jahresmittelwert der Tageslänge den Standardwert unterschreitet.

Warum die Erde sich momentan schneller dreht, ist bislang noch unklar. Möglich wäre, dass geodynamische Prozesse an der Grenze von Erdkern und Mantel diese Beschleunigung hervorrufen. Denkbar wäre aber auch ein indirekter Klimaeffekt beispielsweise durch die Eisschmelze der Polarregionen. Sie verändert die Masseverteilung auf unserem Planeten und damit auch die Rotation.

Kommt die negative Schaltsekunde?

Wenn sich der Trend zur beschleunigten Erdrotation fortsetzt, könnte zur Angleichung der Weltzeit erstmals eine negative Schaltsekunde nötig werden. In der Silvesternacht würden dann die Uhren eine Sekunde auslassen und direkt von 23:59:58 Uhr auf 00:00 Uhr umspringen. Das wäre eine echte Premiere, denn seit Einführung der Schaltsekunden im Jahr 1972 hat es zwar 27 positive Schaltsekunden gegeben, aber noch nie eine negative.

Noch hat der IERS keine Schaltsekunde angesetzt – weder in die eine noch die andere Richtung. Wie sich dies weiter entwickeln wird, bleibt abzuwarten.

Quelle: timeanddate, International Earth Rotation and Reference Systems Service (IERS)

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